Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
gut ich kann. Doch gleichsam bin ich der, dem du niemals vertrauen darfst. Stets unersättlich verharre ich. Immerzu sage ich mir, dass es das letzte Mal gewesen ist.
Und so war es auch heute.
Ich rettete Crevi Sullivan das Leben, in einem Moment, der so falsch schien wie es irgend möglich war. Die junge Frau aber, die mit hoher Geschwindigkeit kopfüber der Erde entgegen stürzte, schrie sich die Seele aus dem Leib – und wusste tief in ihrem Herzen, dass dies das Ende war.
Ich hingegen wusste es besser.
Wenngleich mir meine Absicht nicht sonderlich heroisch erschien.
Schließlich war es nur eine Frage der Zeit, bis ich sie der Schlange auf dem Silbertablett servieren würde.
Ich konzentrierte mich und ließ die Luft um uns herum dichter werden, so dass sie unseren Sturz verlangsamte, dick und zähflüssig wurde und eine sirupartige Substanz annahm. Crevis Schreie verstummten, als ihr und mir gleichermaßen etwas in Mund und Nase drang, das sich wie Wachs anfühlte.
Ich musste husten und würgen und zeitgleich die Verbindung zur Magie aufrechterhalten, was sich als echte Herausforderung gestaltete. Ich wusste nicht, was mir den nötigen Willen verlieh nicht loszulassen, doch als ich mich von einem imaginären Widerstand über mir abstieß, Crevi in meine Arme zog und im Strom der Luft dem Boden entgegen tauchte, da wusste ich, dass ich mir niemals verzeihen würde, die Frau, die ich von ganzem Herzen liebte, hintergangen zu haben.
Wer hätte ahnen können, dass es jemals so weit kommen würde?
Manchmal war die Zukunft wirklich eine heimtückische Gefährtin.
Dies zu lernen, darum kam auch Crevi Sullivan nicht herum.
Voll banger Erwartung spürt sie, dass es kein zurück mehr gibt. Niemals wieder geben wird. Gemischte Gefühle sind es, die ihr das Herz schwerer werden, die sie, zur Untätigkeit verdammt, der Dinge, die noch kommen mögen, harren und mit einiger Traurigkeit auf Vergangenes zurückblicken lassen.
Wird ihre Geschichte hier ein Ende finden?
Manchmal kann die Welt wirklich hundsgemein und ungerecht sein. So furchtbar ungerecht, dass man am liebsten gar nicht wissen will, von welchem Übel die eigene Zukunft noch sein wird. Aber manchmal , denkt sie, bleibt einem nur die Möglichkeit, weiter zu gehen. Immer weiter, all der Ungewissheit zum Trotz.
Und genau das wird sie tun.
Wenn auch zögerlich.
Aber ich will nicht abschweifen. Wirklich nicht.
Kurz bevor wir den Untergrund erreichten, ließ ich die festgehaltene Luft frei und fing den kurzen Sturz mit dem Rücken voran ab, zuckte abrupt zusammen, als mich der eisige Schnee in den Nacken traf und Crevi halb von mir hinunter rollte.
Die junge Frau lechzte nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Bist du verletzt?«, fragte ich besorgt nach.
Da traf mich etwas brutal am Hinterkopf und die Welt versank in einem gleißenden Blitz. Ich glaubte noch irgendetwas, das entfernt nach »Lauf!« klang, über die Lippen gebracht zu haben, dann umfing mich Dunkelheit.
Vlain verfolgte mit betontem Desinteresse, wie sich Crevis zierliche Gestalt immer weiter von ihm entfernte, wie sie den schneebedeckten Abhang hinunterstolperte, voll der Gewissheit, jeden Moment in ihrer Flucht gestoppt zu werden. Er sah ihr nach, bis er sie in der Ferne nicht mehr erkennen konnte, dann packte er seufzend eine Hand voll Schnee, drehte meinen bewusstlosen Körper auf den Rücken und klatschte mir die eiskalte Ladung mitten ins Gesicht.
»Du hättest ihn nicht so hart ran nehmen sollen«, nörgelte eine schmierig klingende Männerstimme in seinem Rücken und der Geruch von Abwasserkanälen und Kanalisation drang in seine feine Nase.
Vlain widerstand dem Drang, der Ratte zu sagen, was genau er von ihren nichtsnutzigen Ratschlägen hielt, und verpasste mir einen leichten Klaps, der mich mit einem Ruck zurück in die Gegenwart holte.
»Hätte nicht gedacht, dass unser Prinzlein so zart besaitet ist«, fuhr die Ratte in ihrer Lästerei fort und trippelte, was im krassen Gegensatz zu ihrem menschlichen Erscheinungsbild stand, über den Schnee auf mich zu.
Eben im Begriff, mir den schmerzenden Hinterkopf zu betasten, musterte ich die Kreatur mit grimmig zusammengekniffenen Augen, so dass kein Zweifel an meiner Abscheu ihr gegenüber bestehen konnte.
Erst als Vlain sich mit einem vornehmen Räuspern Gehör verschaffte, nahm ich augenscheinlich Notiz von ihm. Zeitgleich trat ein zutiefst verwirrter Ausdruck in mein Gesicht. »Du...?«
» Wir haben keine
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