Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
Die Hitze seines Teufels, die ein sicheres Zeichen war, dass er nicht eigenständig handelte. Ihre Finger krallten sich in seinen Nacken, vielleicht konnte sie Zeit schinden.
Aber viel zu schnell zerrte seine Hand ihr das Hemd aus der Hose. Panik erfüllte Yve. Ihr hatte doch noch rechtzeitig etwas einfallen wollen… Er hatte es gerade befreit, zog es ihr halb über den Kopf, als eine quietschende Tür sich öffnete.
Er hielt inne.
Sie hielt inne.
Beide schauten sie zu dem grellen Lichtschein hinüber, der den Hof flutete.
Zwei Nachtgestalten vor der aufgehenden Sonne, so schien es.
Einer von ihnen trat durch die Tür, verharrte, als er sie entdeckte. Dann fluchte er, brummte seinem Kollegen etwas zu und die beiden verschwanden wieder.
Obwohl Yve im Augenblick andere Sorgen hatte, stieg Scham in ihr auf.
Da rollte Vlain sich plötzlich von ihr hinunter.
Sie blieb bewegungsunfähig liegen. Zu sehr saß ihr die Aufregung noch im Körper. Ganz vorsichtig raffte sie sich schließlich auf und stützte sich keuchend im Lehm ab. War es vorbei?
»Verdammt!«, hörte sie ihn schimpfen. Er stand auf, schleppte sich wie es schien unter großer Mühe zu den Überresten seiner Kleidung und zog sich das, was noch zu gebrauchen war an. »Verdammt, verdammt, verdammt!« Danach sank er wie ein Häufchen Elend in die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
Fast hätte sie Mitleid mit ihm gehabt.
Hastig wandte sie den Blick ab und zog sich ihr eigenes Hemd wieder vollständig an. An einigen Stellen war es zerrissen, doch im Dunkel war es kaum zu bemerken.
»Verflucht, es tut mir so l eid«, flüsterte er.
Sie stand auf, wollte auf ihn zugehen, hielt dann aber vorsichtshalber inne.
»Du bist nicht der Erste«, sagte sie leichthin, nachdem sie sich soweit gefasst hatte, es scheinbar unbekümmert hervorzubringen.
» Das ändert nichts! Es ist alles meine Schuld…ich hasse ihn! Ich hasse mich!« Seine Stimme verebbte und wurde ganz leise. »So sehr…«
» Ich bin dir nicht böse.«
» Was?«
» Ich mein’s ernst. Ich weiß, dass du nichts dazu kannst.«
Es tat gut , so ehrlich sein zu können, wie Yve fand. In Ral’is Dosht durfte man das. Vergeben und vergessen, wenn jemand aufgrund seines Makels einen Fehler gemacht hatte. In der Welt dort draußen wäre das niemals möglich gewesen.
Deswegen war er wohl auch so verwirrt.
»Das glaube ich nicht.«
» Doch. Ich habe früher schon einige Dämonen gekannt. – Ich weiß, wie gut es tut, wenn man Verständnis bekommt.« Sie holte tief Luft. »Lass uns noch mal neu anfangen.«
Noch immer stand ihm der Mund offen. Anscheinend sprachlos.
»Ich bin auch ein Teufelskind.« Yve hielt ihm die Hand hin. Tranceartig ergriff er sie und ließ sich hoch helfen. »Yve die Widerliche.«
» Vlain der Meister«, stellte er sich nun seinerseits mit seinem Titel vor.
» Daher kam mir dein Name gleich bekannt vor.« Sie zwinkerte ihm zu. »Weißt du, wir Teufelskinder müssen zusammenhalten.«
Ihr Blick schweifte über den Ort des Geschehens und blieb an Reird und Crevi hängen . »Zum Glück hat keiner der beiden das gesehen.«
Vlain ging zu den beiden reglosen Körpern hinüber und untersuchte sie . »Sie sind direkt mit den Köpfen zusammengeprallt.«
» Was für ein Zufall.« Yve hockte sich neben ihn. »Denkst du, sie sind ernsthaft verletzt?«
» Nein. Das würde ich…wahrnehmen.«
» Gut.« Sie zog das Wort in die Länge. »Verrätst du mir jetzt, warum ich den Brief nicht besitzen darf? Reird und ich haben nur den gelesen, der an mich adressiert war. Wir wissen genauso wenig wie…ihr, nehme ich an, worum es bei dieser ganzen Sache geht. Ich weiß nur, dass ich Crevi helfen muss.«
Vlain blickte sie erneut entschuldigend an : »Das ist auch alles, was ich weiß. Dass ich ihr helfen muss.« Ein seltsam liebevoller Blick trat in seine Augen, als er die blonde Frau betrachtete.
» Ich kann ihren Brief gar nicht öffnen.«
» Ich auch nicht. Das kann nur sie.«
» Wer ist sie, Vlain?«
Er runzelte die Stirn . »Sie ist kein Teufelskind wie wir. Sie ist das Kind des Schöpfers.«
»Und was jetzt?«
» Wir brauchen Antworten.«
» Ich meinte, was wir mit Reird und Crevi tun.«
Kaum hatte Yve die Worte ausgesprochen, traf sie ein nasser Tropfen auf der Nasenspitze. Gleich darauf folgte ein zweiter, bis es wie aus Kübeln auf sie herabzuregnen begann.
Schneller, als dass sie irgendetwas unternehmen konnte, hatte der Regen ihr Hemd durchweicht und ihr das
Weitere Kostenlose Bücher