Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
vor denn je.
» Wo ist er dann?«
» Er wurde eingeliefert«, sagte sie. Das war Antwort genug.
» Das wussten wir schon.« Der Mann hielt die Frau am Arm, bevor diese näher an Yve heran kam. Ihr Gesicht unter der Kapuze wurde schwach vom Mondlicht erhellt. »Wer sind Sie denn?«
» Yvena Catah. Und Sie sind…?«
» Ich bin Vlain Moore.« Sie horchte auf. Der Name sagte ihr irgendetwas, aber sie wusste nicht mehr genau, wo sie ihn schon einmal gehört hatte. »Und das ist Crevi Sullivan.«
» Freut mich.«
» Weshalb sind Sie hier?«
» Weil Sie mit Edd sprechen wollten.« Lag das nicht auf der Hand?
» Aber Sie sind nicht Edd.« Crevi Sullivan sah nicht aus, als würde ihr der Verlauf des Gespräches gefallen.
» Ich bin seine Nichte. Genügt das?«, entgegnete sie.
Schweigen.
Yve gefiel das Gespräch auch nicht, so viel stand fest.
Sie überlegte, was sie sagen könnte . »Er hat mir aufgetragen, seine Aufgabe zu übernehmen.«
» Dann wissen Sie Bescheid?« Hoffnungsvoll.
» Nein. Ich habe nur den Brief.«
Die beiden Fremden starrten sie erschrocken an.
Der Mann trat einen Schritt auf sie zu und Yve bekam das ungute Gefühl, dass sie den Brief nicht hätte erwähnen sollen. Reflexartig wich sie zurück.
Von einer auf die nächste Sekunde wa r sämtliche Freundlichkeit aus der Haltung des Fremden gewichen.
Kälte kroch in ihre Glieder. Das kannte sie.
»Woher haben Sie den Brief?« Eine unverkennbare Drohung.
» Edd hat ihn mir gegeben…«
Yve wusste, dass irgendetwas aus den Fugen geriet. Das alles hier, es stimmte nicht.
Ein weiterer Schritt in ihre Richtung.
»Ich weiß auch nicht, was hier vorgeht!«, stieß sie hervor, als er in seinem forschen Schritt in ihre Richtung nicht innehielt.
Surreal. Yve hatte bereits düstere Vermutungen.
»Vlain!«, schrie Crevi ihn an.
Immer, immer näher.
Reird schritt ein. »Hör mal, sie hat doch gesagt, sie weiß nicht…« Er wollte den Mann an der Schulter packen, aber der stieß ihn ohne große Schwierigkeit – mit ungeahnter Gewalt – von sich.
Crevi, die bereits im Begriff gewesen war, ihren Begleiter zurückzuhalten, stoppte.
»Misch dich nicht ein«, wandte dieser sich an sie.
Die junge Frau blieb stehen. Stocksteif und rührte sich nicht mehr. Die unausgesprochene Angst war ihr in das hübsche Gesicht geschrieben.
Yve begegnete ihrem Blick. Stilles Einvernehmen zwischen ihnen.
Auch Crevi Sullivan wusste nicht, was sie tun sollte.
Reird rappelte sich wieder auf und stürzte sich erneut auf Vlain, als renne er gegen eine Betonwand. Wie eine lästige Fliege schlug der Dämon ihn bei Seite, ließ ihn ungeschickt in Crevi hinein taumeln. Gemeinsam gingen sie zu Boden. Die längst nicht mehr menschlichen Augen richteten sich auf Yve.
» Komm nicht näher«, verlangte sie flüsternd.
Er tat es trotzdem.
Sie riskierte einen raschen Blick über die Schulter, machte rückwärts einen Satz auf die Bank und zog in einer fließenden Bewegung ihren Degen. Die Spitze von sich gestreckt, behielt Yve jede Bewegung des Dämons im Auge.
Dieser hielt inne. Betrachtete sie als würde er merken, dass er ihr Unrecht tat.
»Tu das nicht«, bat sie ihn inständig.
Yve wollte ihm nicht wehtun müssen. Sie hasste es, wenn sie jemanden töten musste.
Knurrend verringerte er den letzten Abstand zwischen ihnen.
Schnell ließ sie den Degen fallen. Er würde ihr nichts nützen, wie sie schnell feststellte. Mit wild klopfendem Herzen starrte sie ihn an.
Seine Gestalt veränderte sich beängstigend. Sie hörte das groteske Knacken und Krachen von Knochen, sah, wie sich sein Körper ausdehnte und jede Menschlichkeit von ihm abzufallen drohte.
Sein Gesicht befand sich nun direkt vor ihrem. Heiß strich sein Atem über ihre Haut.
Sämtliche Körperhaare stellten sich ihr auf und die Furcht legte sich wie ein lähmender Schleier über sie.
Aber halt!
Sie wusste, was sie zutun hatte. Es war nicht das erste Mal, dass sie in eine derartige Situation geriet. Sie musste nur die Nerven bewahren…
Er rückte auf sie zu, stützte sich mit den muskelbepackten Armen, aus denen überall lange schwarze Haare sprossen, auf der Bank ab – brachte sie dabei keuchend zum Knarren – und beugte sich zu ihr vor.
» Entschuldige.« Blitzschnell riss Yve ihr rechtes Bein nach oben, traf ihn unterm Kinn und ließ seinen Kopf mit einem ungesunden Geräusch zurückschnappen. Sie stürzte an ihm vorbei, rollte sich über den Boden ab und kam in einiger Entfernung
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