Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
gewesen, so hatte er nach dem Drängen meiner Eltern letzten Endes doch zugestimmt. War es nicht perfekt gewesen? Unser greifbar nahes Glück?
In Wahrheit war es nie so fern gewesen, wie zu diesem Zeitpunkt, denn schon bald änderte sich alles. Doch erwähnte ich diesen Umschwung Crevi gegenüber nicht. Stattdessen fuhr ich an einer anderen Stelle fort.
Wir waren kleine Kinder, als wir uns das erste Mal begegneten. Auf einer Feier eines gemeinsamen Freundes unserer Eltern. Es hatte wie eine ganz gewöhnliche Freundschaft begonnen. Im Spielzimmer war es gewesen. Vor unendlicher langer Zeit in einem anderem Jahrhundert. Aimee hatte weinend in einer Ecke gesessen, weil sie sich das Kleid zerrissen hatte und sich nicht traute , dies ihrer Mutter zu beichten. Es war ein teures Kleidchen, das sie eigens für diese Feierlichkeit bekommen hatte, weshalb sie sich schrecklich vor dem Zorn ihrer Eltern fürchtete. Ich vernahm ihr Schluchzen und krabbelte zu ihr unter den Tisch. »Was ist los?«, fragte ich. Ich hatte mich neben sie gesetzt und mich ihr vorgestellt. »Ich bin Adrian.« Mit zitternder Stimme meinte sie: »Aimee.« Dann erzählte sie mir, was passiert war und dass sie mit Sicherheit Ärger bekäme.
Ich hatte nur aufmunternd gelächelt, denn ein Plan hatte in meinem Kopf bereits Gestalt angenommen. So entschuldigte ich mich bei ihren Eltern, dass ich ihr Kleid zerrissen hätte und das Mädchen wurde bemitleidet und getröstet. Mein Vater zeigte sich zutiefst betrübt und selbstverständlich wurde ich bestraft.
Aber wie dem auch sei, seit diesem Tag waren wir Freunde.
Wir wohnten nicht weit voneinander entfernt, wie ich bald herausfand. Das Anwesen ihrer Familie befand sich ebenso wie unseres in Affinil, jenem Stadtteil Lhapatas, den Aristokratie, die Reichen und Mächtigen, wohlsituierte Bürger und erfolgreiche Kaufleute ihr Zuhause nennen, und so traf ich sie an einem Sommertag in den Wassergärten an. »Weißt du noch wer ich bin?« Mit diesen Worten war ich an sie herangetreten und lächelnd hatte sie gemeint: »Wie könnte ich dich vergessen.«
Das Öfteren trafen wir uns von nun in den Gärten und als wir älter wurden lud ich sie auf den Jahrmarkt ein. Eine zeitlang besuchten wir dieselbe Schule und nach Ende des Unterrichts gingen wir durch die Straßen, unterhielten uns und gaben unser Taschengeld für allerlei Unsinn aus, für den Elf- und Zwölfjährige ihr Geld nun einmal ausgeben.
Mit der Zeit sahen wir uns seltener. Sie ging auf eine Mädchenschule außerhalb der Stadt und kam meist erst spät abends zurück. Dennoch fanden wir eine Möglichkeit uns bei Nacht zu treffen. Eines Tages, einige Jahre später, meinte sie zu mir: »Weißt du, Adrian, meine Freundinnen haben gesagt, dass du in mich verliebt bist. Stimmt das?«
» Oh.« Ich hatte mich verlegen am Kopf gekratzt und nach den richtigen Worten gesucht. Sie hatte Recht, irgendwann war es wohl wirklich ein wenig mehr als Freundschaft geworden. »Ein bisschen vielleicht.«
» Na ja, ich habe mir gedacht…weil…« Aimee war rot geworden und hatte schnell fort geschaut. »Vielleicht geht es mir genauso.«
Wir hatten geschwiegen und nebeneinander im Gras gesessen. Am Fuße der alten Eiche, die stets unser gemeinsamer Treffpunkt gewesen war. Plötzlich hatten sich unsere Hände berührt und ganz von selbst war es zu einem zögerlichen ersten Kuss gekommen. Den Rest der Nacht hatten wir nur dagelegen und die Sterne betrachtet, ebenso, wie ich es seit geraumer Zeit mit Crevi hielt.
Die junge Frau hatte mir zugehört und am Ende der Geschichte, deren wahren Ausgang sie nicht kannte, gelächelt. »So was Romantisches ist mir leider nie passiert«, gab sie nachdenklich zu. »Aber ich freue mich für dich, dass du eine so wunderbare Frau kennen lernen durftest.«
» Ja, sie…ist schon unglaublich«, flüsterte ich.
Wie oft hatte ich mich nächtelang nach ihr verzehrt?
»Hey!«, murmelte Crevi und griff nach meiner Hand. Sie musste mir die abgrundtiefe Traurigkeit wohl angesehen haben. »Ihr werdet euch schon wieder sehen. Du hast doch gesagt, sie wartet auf dich.«
Das hatte ich . »Danke.«
Eine Weile saßen wir im hohen Gras, das sanft um uns herum im Wind wogte. Die kühle Nachtluft umschwirrte uns und trug die trübseligen Gedanken davon, wenn man es nur zuließ.
»Ich frage mich immer, ob ich eines Tages auch das Glück haben werde…« Sie ließ den Satz unbeendet, aber ich wusste dennoch, was sie meinte.
Trost spendend legte ich
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