Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
schob sich zwischen die beiden Männer. »Gehen wir mal davon aus, dass die Bande nicht nach jemandem aus ihren Reihen sucht, sondern nach jemand anderem. Wer könnte das sein?«
Crevi seufzte und hörte nicht mehr hin. Das Gespräch war nicht besonders ergiebig. Niemand wusste eine Antwort auf Yves Frage. Die wahre Bedeutung der Vision würde ihnen wohl verborgen bleiben.
Es war eben, wie Crevi schon vor Stunden festgestellt hatte.
Nichts wollte gelingen!
Nach mehreren Stunden Fußmarsch erreichten sie eine Herberge, die abseits der Straße auf einer kleinen Anhöhe gelegen war. Ich eilte ihnen voraus und beschloss, sie dort zu erwarten, nachdem ich in Erfahrung gebracht hatte, dass Vlain es in Erwägung zog, dort Halt zu machen.
Als Crevi das gemietete Zimmer betrat, dessen Nummer ich in eben jenem Augenblick, in dem der Wirt ihr den Schlüssel übergeb en hatte, aus dessen Gedanken entnommen hatte, wartete ich bereits auf sie.
Müden Gesichts tauchte die junge Frau in der Tür auf. Kaum hatte sie jedoch den Kopf gehoben, hellten sich ihre Züge auf . »Du bist wieder da!«, begrüßte sie mich und klang dabei wie ein kleines Kind, das seinen Teddybär nach unendlicher Suche wieder in die Arme schließt. Nur in diesem Fall umarmte sie mich nicht, sondern ließ ihre Tasche neben dem Bett zu Boden gleiten und setzte sich zu mir.
Ich hatte es mir auf der Fensterbank gemütlich gemacht und bis zu ihrem Eintreffen die Gegend vor dem Fenster betrachtet. Ich mochte die Natur. Stets überkam mich ein Gefühl der Leichtigkeit, wenn ich allein durch die Weiten der Landschaft wanderte und sich all meine Sorgen in Luft auflösten. Nur dann vermochte ich , meinen Geist von all diesen Belanglosigkeiten des Lebens zu befreien, ermöglichte es mir die Schönheit der Natur alles andere auszublenden. Sie folgte meinem Blick und schaute auf andere Reisende hinab, die derselben Straße gefolgt waren, wie wir. Dann musterte sie mich und wartete darauf, dass ich etwas sagte.
» Du siehst müde aus«, begann ich nach einer Weile.
» Bin ich auch.« Sehnsüchtig musterte sie das Bett. »Ich bin es langsam satt, auf der Erde zu schlafen.«
» Verständlich.« Ich ließ ein kurzes Lächeln aufblitzen.
» Adrian?«
» Hm?«
» Wo warst du die letzten Tage?«
» Ich hatte andere Dinge zu erledigen.« Ich dachte an das kurze Treffen mit meinem Schatten und unserer eindringlichen Unterhaltung. Sie war der Meinung, dass etwas vor sich ging, dessen sie sich annehmen müsste. Nach kurzem Zögern hatte ich ihr zugestimmt und sie war nach Norden aufgebrochen, um auf schnellstem Wege nach Lhapata zu gelangen und dort auf mich zu warten.
» Ich dachte schon, du kämst nicht mehr.«
» Ich habe dir doch gesagt: Wir sind Freunde. Was wäre ich für ein Freund, ließe ich dich nach einem einzigen Treffen sitzen?«
Darauf wusste sie nichts zu sagen und legte stattdessen die Hände in den Schoß.
»Du bist sorgenschwer«, warf ich ein. »Was bedrückt dich?« Ich wusste genau, was ihr durch den Kopf ging, da ich sie den Tag über beschattet hatte, doch sich nun nach ihrem Befinden zu erkundigen, erschien mir nur richtig.
» Sieht man es mir etwa an?«
» Man müsste blind sein, um es zu übersehen.«
» Es ist so viel und immer kommt etwas Neues dazu«, murmelte sie.
» Dann ist es am besten, wenn du irgendwo anfängst.«
Ich hatte sie wieder zum Lächeln gebracht, was ein längst vergessenes Kribbeln in meiner Magengegend hervorrief. Bevor ich diesem Gefühl genauer auf den Grund gehen konnte, begann Crevi zu erzählen. Sie berichtete mir von ihrer Angst, was sie als Schöpferin bewirken könne und dass sie nicht wisse, wie sie damit umgehen solle. Sie sagte, sie sei zu dumm, um die Magie aus der Luft zu ziehen und auch, um die Rätsel der Perlen zu lösen. Sie sei ratlos, wisse nicht mehr weiter und am liebsten wäre sie einfach nach Hause zurückgekehrt und hätte die ganze Sache auf sich beruhen lassen. Sie erzählte mir von Jaydens Vision, von der Vermutung, dass es sich um die Bande handele. Leise, kaum vernehmlich, murmelte sie, dass sie sich davor fürchte , die Wahrheit über die Vision zu erfahren, es aber gleichzeitig wolle. Sie fühle sich so alleine und hilflos, wünsche sich jemanden, der sie verstehe und vermisse ihren Vater so sehr, das es doch wieder wehtue.
Nachdem sie geendet hatte, weinte sie nicht. Fast, als hätte sie bereits alle ihr zur Verfügung stehenden Tränen verbraucht.
Ich hatte ihr
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