Berufen (Die Kinder des Schöpfers, Band 1) (German Edition)
unumwunden. »Liwy die Schlange.«
» Schlange?«
» Dämonen haben die unterschiedlichsten Erscheinungen. Sie ist eine Schlange«, führte ich meine etwas einsilbige Antwort ein wenig weiter aus. Wir sind uns schon öfters begegnet, rein beruflich natürlich. Die Frau war Gift, Gift wie ihre Fangzähne es zu versprühen vermochten.
Crevi wirkte nun noch hilfloser als zuvor . »Und diese Frau sucht nach mir?«
» Ja.«
» Oh Gott«, stammelte sie. »Das kann doch nur ein schlechter Traum sein.«
» Du musst das nicht alleine durchstehen«, sprach ich beruhigend auf sie ein und hob ihr Kinn an. »Du hast Freunde, die dir zur Seite stehen und auf die du zählen kannst.«
» Und ich habe dich«, erwiderte sie mit dünner Stimme.
» Ja.«
Gerne hätte ich ihr versprochen, dass Liwy ihr nichts würde anhaben können, doch die Gesetze der Welt sind weitaus komplizierter, als dass ein solches Versprechen möglich wäre. Das direkte Eingreifen der Bande könnte auch für mich einige Komplikationen aufwerfen.
»Du solltest schlafen«, sagte ich, um ihr nicht noch weitere unschöne Offenbarungen machen zu müssen.
» Das stimmt wohl.« Sie stand auf und schlich zum Bett hinüber. »Adrian?«, fragte sie, als sie sich noch einmal umdrehte.
» Ja?«
» Darf ich Yve von den Dingen erzählen, die ich erfahren habe?«
» Natürlich. Sie weiß ohnehin schon von mir. Es wird dir helfen, mit noch einer anderen Person darüber zu sprechen.« Mit einem richtigen Menschen, fügte ich im Stillen hinzu.
» Okay.« Seufzend warf sie sich aufs Bett, streifte die Schuhe aus und kroch unter die Decke. Wieder wirkte sie in meinem Augen wie ein kleines Kind. Wie ein kostbares kleines Kind, auf das es aufzupassen galt. »Kannst du die Nacht über bleiben?« Ich brauchte nicht lange, um den Grund zu erraten. Sie hatte Angst. Ganz groß und rund blinzelten mich die graublauen Augen über den Rand der Decke, die sie sich bis unter die Nase gezogen hatte, an.
» Natürlich.«
Die nächste Zeit besuchte ich sie jeden Abend. Irgendetwas zog mich zu ihr, das mich jeden Moment, den ich mit ihr teilte, herbei sehnen ließ. Es war ein atemberaubendes Gefühl, mit ihr zu sprechen, sie sprechen zu hören und ganz besonders war es, wenn Crevi meinen Namen nannte, den ich bereits verloren geglaubt hatte. Niemals hätte ich angenommen, jemals wieder in den Genuss von Glück zu kommen.
Doch genau das war es, was sie mich spüren ließ.
Die Stunden, die ich mit ihr bis spät nachts verbrachte, erinnerten mich so sehr an früher. An ein anderes Mädchen, eine andere junge Frau, die dies in mir hatte wecken können.
Aimee.
Ich vermisste sie. Aber ich war mir gewiss, dass ich sie eines Tages wieder sehen würde. Man hätte uns nicht trennen dürfen. Nicht so lange. Unzählige Jahre waren verstrichen, die ich nicht einmal mehr zu zählen vermochte und stetig tickte die Zeit. Es war nunmehr ein Sommernachtstraum, dem Wunsch eines Jungen entsprungen, wie wir lachend über die Wiese gelaufen waren und nebeneinander im Gras gelegen hatten. Wir hatten einander ganz nah gewusst. Die Sterne hatten über uns geschienen und alles hatte im Bereich des Möglichen gelegen.
Damals hatten wir geglaubt, wir könnten alles erreichen, wenn wir nur zusammen hielten.
Aber so war das Leben nicht, richtig?
» Wer war sie?«, hatte Crevi mich gefragt, als wir schweigend beieinander gesessen und in den Himmel geblickt hatten. Sie hatte ein gutes Gespür für die Gefühlslage anderer Menschen, das musste man ihr lassen.
» Aimee«, antwortete ich ihr mit leiser Stimme. »Sie ist meine Verlobte.« Und ich war fest davon überzeugt, dass uns ein Wiedersehen vergönnt sein würde.
» Liebst du sie?«
» Ja.« Noch immer. Die Worte schienen endgültig, aber ich ahnte, dass sie das nicht sein würden. Ich konnte sie nicht auf Ewigkeiten lieben, nicht, solange der Mantel des Ungewissen über unser beider Schicksal hing. Mir kam die Frage in den Sinn, ob sie manchmal auch an mich dachte.
» Erzähl mir von ihr.«
Also tat ich es. Die Erinnerungen waren hell und klar, als wäre es gestern gewesen. Ich beschrieb Aimees wundervolle rote Locken, ihr Lächeln, das Herzen zum Schmelzen bringen konnte, und ihre trotzige Art, niemals aufzugeben. Ihr Vater war ein strenger Mann gewesen, stets war er auf das Wohl seiner Tochter bedacht, doch letztendlich hatte uns das Glück zusammen geführt. War der gute Mann zuvor strengstens gegen eine Heirat zwischen Aimee und mir
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