Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
Vom Netzwerk:
tapfer versuchte, den Hustenreiz zu unterdrücken. Therese dachte, daß sie auch so stark sein wollte wie Valerie. Daß sie dieses verdammte Leben als Jüdin ertragen wollte, wenn nur ihr Kind einen sicheren Platz fände.
    Jakob Salzmann hatte es Therese schon vor zwei Jahrengesagt, daß die Nazis planten, jüdischen Familien ihren Wohnraum wegzunehmen und sie mit anderen in Judenhäusern zusammenzulegen. Doch bislang wohnten die Suttners immer noch in ihrem Haus im Herzogpark. Das Kaufhaus der Familie war arisiert. Es gehörte jetzt einem Kohlenhändler aus Frankfurt. Die Nazis hatten es Richard Suttner unmöglich gemacht, das Haus weiterzuführen. Alle Artikel, die Umsatz machten, durfte das Kaufhaus Suttner nicht mehr führen. Therese spürte jetzt, wie sehr sie doch an dem Geschäft hing, wie sehr sie mit dem Kaufhaus verbunden war. Schon allein der Geruch des Hauses würde ihr immer gegenwärtig bleiben. Als kleines Kind war sie davon fasziniert gewesen. Es roch nach Gardinenappretur, nach Kölnisch Wasser, nach Kohl und Zwiebeln. Schwaden von billiger Schokolade vermischten sich mit Bohnerwachs, dem Geruch nach Schmierseife und den nassen Lodenmänteln der Käufer, die vielfach vom Land kamen. Es gab einfach alles bei den Suttners. Lindeskaffee, Leberwurst, Harzer Käse, herrliche Kleider aus Waschseide, Wollmousseline und Voile, fünf Mark das Stück.
    Auch der Verlust von Vaters Fabrik tat Therese mehr weh, als sie sich eingestehen mochte. Sie dachte daran, wie gern sie mit Mutter und Sybille in den Betrieb gegangen war. Schon die große Schwingtür, die den Empfangsraum vom Büro trennte, faszinierte die kleine Therese. Es war eine pompöse Tür mit vielen kunstvoll unterteilten Glasfenstern, die jedesmal, wenn Therese den Vater besuchte, von Frau Teschner geputzt wurden. Es war, als sei diese zwergenhaft kleine Putzfrau eigens dafür eingestellt, ständig die riesige Tür zu wienern, als hinge ihr Ansehen und Leben davon ab. Durch diese Schwingtür ging es dann über dunkelrote Samtläufer in die geheimnisvollen Schluchten der einzelnen Abteilungen und Kontors, in denen elegante Fräuleins tippten und sorgfältig frisierteund gekleidete Ein- und Verkäufer telefonierten, bis schließlich ganz am Ende der unübersehbar große Packsaal sich auftat. Hier war der Boden aus Stein. Die Männer trugen lange graue Kittel und fuhren auf Karren die riesigen Überseekisten mit Trikotagen der Firma Richard Suttner zur Post.
    Über steinerne Treppen ging es in die Lager. Sie waren seltsam kühl und dämmrig, sehr still. Die Regale peinlich sauber. Gefüllt mit aller nur denkbaren Unterwäsche. Thereses und Sybilles Entzücken erregten vor allem die Frauenhosen zum Binden, wahre Monstren von Hosen. Sie schienen gewirkt für Riesinnen. Therese lernte die Arbeit der Direktricen kennen, die in einer Art gläsernem Käfig saßen und an Entwürfen für die neue Kollektion arbeiteten. An Therese, die schon als junges Mädchen mit sechzehn eine Länge von 1,75   m erreicht hatte und sehr schlank war, würden die neuen Kreationen überzeugend aussehen. Jedenfalls sagten das die Direktricen. Therese glaubte nicht an ihre Vollkommenheit. Sie fand sich zu groß und zu eckig. Doch da war nichts, was den Fluß der Stoffe störte. Sogar breite Gürtel konnte man Therese um die Taille schlingen. »Beneidenswert«, seufzten die Direktricen, und sie hätten sich gewünscht, daß Therese bei der zweimal jährlich veranstalteten Modenschau die Modelle vorgeführt hätte. Doch davon wollte Therese nichts wissen. Und auch ihr Vater lehnte das ab. »Meine Tochter ist kein Kleiderständer«, stellte er fest. Dabei ging es ihm vielmehr darum, die Bindung Thereses an die Fabrik nicht allzu eng werden zu lassen. Therese hatte längst gespürt, daß die Damen der Modellabteilung um die Gunst des Vaters wetteiferten. Es gab einen Gradmesser dafür, wer zur Zeit die Favoritin war. Immer die Direktrice, die Vater zu den Modenschauen nach Paris begleiten durfte.
    Am liebsten ging Therese in die großen Stricksäle, wodie Interlock- und Rundstrickmaschinen liefen. Wo Frauen in weißen Kitteln zehn Pulloverärmel zugleich ausschnitten, an Rundkettelmaschinen Bündchen strickten oder mit Spezialnähmaschinen die Initialen des Hauses Richard Suttner einnähten. Riesige Schwungräder trieben die Maschinen an. Der Geruch von Maschinenöl, Wolle und Schmierseife vermischte sich zu einer Arbeitsluft, die Therese fremd und vertraut zugleich war. Sie hörte

Weitere Kostenlose Bücher