Beschuetz Mein Herz Vor Liebe
scho.«
»Maximilian, wie weit ist es bis zum Schwimmbad?«
Sekundenlang blieb Maximilian stumm. Therese konnte im Dämmerlicht des Flurs sein Gesicht nicht sehen, doch sie wußte, daß Maximilian begriffen hatte.
»Ui, des dürfen S’ aber net machen, da werden S’ doch glei verhaftet.«
Therese erklärte Maximilian flüsternd, daß sie in der Nacht hinaufwolle, so zwischen zwölf und eins, wenn alles ruhig und dunkel sei. Doch Maximilian gab zu bedenken, daß Therese an fünf Anwesen vorbei müsse, beim Hansbauer, beim Unteren Siegl, beim Schneider Michel und am Ehamhof. Gerade da sei doch der Hasso, ein scharfer Hund, der nachts frei herumlaufe.
»Wenn Sie da naufgehn, geh ich mit. Ich kenn den Hasso. Wenn ich den streichel, bellt er net.«
Es waren Schulferien. Maxl konnte morgens schlafen, so lange er wollte. Nur, was würde Kaspar Lechner sagen oder Loni, wenn sie merkten, daß Therese das Haus verlassen hatte? Maxl kannte Thereses Bedenken.
»Der Papa oder die Mama, die merken nix. Wenn di amal schlafn, dann schlafn s’. Die müssen S’ rütteln, sonst wachen die net auf.«
»Und die beiden Polizisten?«
»Die? Die sind heut auf d’ Nacht in Tölz, zum Schießen. Die kommen erst morgen in der Früh wieder.«
Sie hatten beschlossen, daß Maxl immer ein Stück vorgehen solle, damit man ihn schlimmstenfalls nicht gemeinsam mit Therese sah. In der Haustür drückte Max Therese sein Badetuch in die Hand. Es war noch feucht vom Nachmittag und roch nach Chlor und nach Wiese. Hinter Max verließ Therese den Schatten des Hauses. Sie dachte flüchtig daran, daß sie seit zwei Jahren das Haus kaum verlassen hatte. Einige Male war Therese auf dem Abort hinter dem Haus gewesen, auch mehrmals in der Küche. Natürlich nur dann, wenn die Polizisten außer Haus waren. Jedesmal hatte sie gespürt, daß die Lechners den Atem anhielten, bis sie wieder in ihrem Verschlag verschwunden war. Doch heute wollte Therese wieder einmal gehen, laufen, ins Wasser eintauchen, schwimmen, leben.
Die Nacht war lau und von einem Mond erhellt, der den Platz vor der Gendarmerie grell dunkelblau beleuchtete. Max war schon in einen schmalen Weg abgebogen, der erst über eine Wiese und dann zwischen zwei Gehöften auf einen Weg führte, von dem Max gesagt hatte, daß es da zum Schloß Hohenburg hinaufgehe. Therese wußte von Anni, daß früher dort die Großherzoge von Luxemburg residiert hatten. Vor zwanzig Jahren war die letzte Hochzeitauf dem Schloß gefeiert worden. Die Trauung der Prinzessin Antonia von Luxemburg mit Kronprinz Rupprecht von Bayern. Der Nuntius, Eugenio Pacelli, jetzt Papst Pius XII., hatte das Paar in der Wieshamer Kirche getraut. Therese hatte auch erfahren, daß Prinzessin Antonia von der Gestapo ins Konzentrationslager gebracht worden war. Großherzogin Maria Anna von Luxemburg emigrierte nach Amerika. Es hieß von ihr, sie wäre im letzten Jahr in New York gestorben. Im Schloß waren Kunstwerke aus der Alten und Neuen Pinakothek ausgelagert, weil man glaubte, daß der Besitz eines ausländischen Souveräns vor Zerstörung sicher sei.
»Ein richtigs Schloß war des, die Hohenburg«, hatte auch Maxl Therese erzählt. »Mit richtigen Prinzessinnen und Herzogen. Mit Kutschen und Schimmeln und Rappen. Und zur Jagd sind s’ gangen auf d’ Gamsn und aufn Hirsch, und im Winter sind s’ Ski gfahren wie die Narrischen.«
In Maxls Stimme hatte Sehnsucht mitgeklungen nach den großherzoglichen Tagen, von denen ihm viel erzählt worden war. Für die Wieshamer hatte es Feste und Verdienstmöglichkeiten gegeben. Vorbei. Jetzt waren andere Zeiten.
Therese versuchte, sich immer im Schatten der Bäume oder der Höfe zu halten, an denen Max sie vorbeiführte. Sie spürte die warme Nachtluft auf der Haut, das Nachgeben der Steine unter ihren Schuhen. Therese mußte sich stark zusammennehmen, sich konzentrieren. Sie konnte kaum gehen. Jeder Schritt tat ihr weh. Sie spürte, wie sie torkelte, wie sie keinen Halt hatte, wie ihr Körper ihr nicht gehorchte. Nach wenigen Schritten brach ihr der Schweiß aus. Sie schalt sich selber eine dumme Gans. Sie hätte doch wissen müssen, daß sie den Weg gar nicht schaffen konnte. Sie rief leise nach Max, und er drehte sich um, kam zurück zu ihr, stützte sie, hielt sie gerade noch fest vor dem Hinfallen. Dann faßte Max Therese kräftig unter. Sie spürte,daß er in den zwei Jahren gewachsen war. Er war nicht viel kleiner als Therese, und sie lehnte sich an seine knochigen,
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