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Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Beschuetz Mein Herz Vor Liebe

Titel: Beschuetz Mein Herz Vor Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Asta Scheib
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diese alten Geschichten hören wollten. Sie selbst hatte früher allerdings auch nicht genug davon kriegen können.
    Damals, als Therese mit Anni in deren Mädchenkammer schlief, hatte sie sich immer gruselselig in die Kissen gekuschelt. Sie fühlte sich erwünscht und geliebt von Anni, vom Kaspar, vom Sepp, von allen Lechners. Zwanzig Jahre mochte das her sein, und Therese wünschte sich, wenigstens in Gedanken oder im Traum noch einmal in ihre frühere Existenz hinüberzugleiten. Es schien Therese, als habe sie zwei Jahre lang nicht ruhig geschlafen.
    Und nicht ein einziges Mal hatte sie geweint, nicht einmal um Valerie. Es schien alles in ihr vertrocknet, es gab nur noch ihren Körper, einen häßlichen Puppenbalg aus Pergament und Knochen, der aber trotzdem essen wollte und verdaute. Lediglich ihre Periode hatte Therese nicht mehr. Irgendwann war der Zyklus abgebrochen. Trotzdem würde jeder Tag eine neue Nacht bringen, und beide würden sich immer zäher in die Länge ziehen. Und Therese hatte noch immer keinen Gott, auf den sie hoffen konnte. Und heute glaubte sie auch nicht mehr, was sie zu Beginn der Aussonderung immer ihrer Mutter und Sybille eingeredet hatte – daß sie bald alle an diese Zeit denken würden wie an einen vergangenen Alptraum.
    Warum hatte sie im Schwimmbad untertauchen wollen? War dadurch ihr häßlicher, übelriechender Körper ihr leichter erträglich geworden? Sie fühlte doch, auch wenn sie es nicht sah, wie ihr Fleisch von Tag zu Tag mehr eintrocknete, schrumplig wurde. Wann hatte Therese sich das letzte Mal in einem Spiegel gesehen? Es gab zwar einen kleinen in ihrer Handtasche, aber in ihrem verdunkeltenVerschlag konnte sie nur Umrisse erkennen. Sie hatte keine Mühe, sich das Gelbe in ihren Augen vorzustellen, den Schorf auf der Haut, in den Mundwinkeln fühlte sie Zeichen ihrer Austrocknung. Unter der Haut bildeten sich ständig neue Wülste und Pickel, ihr Haar würde mit Sicherheit bald ausgehen. Wüst und wirr und trocken war es schon jetzt.
    Therese saß nicht nur in der Falle, sie war auch gefangen in ihrem verfallenen Körper, und nicht lange, dann würde auch ihr Hirn austrocknen. Sie würde ein Kretin sein und nicht mehr daran denken müssen, daß Mutter und Sybille entdeckt würden, und daß Valerie vermutlich in einem Konzentrationslager zugrunde ging. War Therese schon jetzt innerlich tot? Die Angst um Valerie, die sich immer wieder in Therese erhoben und getobt hatte, war diese Angst nicht schon weit weg? Fortgeschwommen in einem Meer von Trägheit?
    Am nächsten Tag, als Loni mal wieder für die Winterhilfe sammelte, klopfte Max an Thereses Verschlag. Er kroch herein und brachte ihr zwei Äpfel. Therese nahm einen und biß gierig hinein. Max kauerte sich in die Nähe Thereses. Beide hockten eine Weile schweigend und aßen, und Therese fühlte, wie sich mit jedem Bissen Behaglichkeit in ihr ausbreitete. Eine fast kindliche Zufriedenheit und Leichtigkeit. Sie wollte nichts denken. Nur Max war da und Therese und die köstlichen Äpfel.
    »Mutter sagt, ich darf nimmer zu Ihnen kommen.«
    »Und was sagst du?«
    »Nix, ich mach, was ich will.«
    Maxis Stimme klang trotzig, aber auch traurig. Therese wußte, daß Maximilian seine Mutter liebte, daß er aber nicht zurechtkam mit der Liebe seiner Mutter zu Hitler.
    »Immer schickt s’ mich zum Jungvolk, da is mir viel zu langweilig.«
    »Früher bist du doch ganz gern hingegangen.«
    »Ja scho, aber es kommt ja keiner mehr. Und auch die Stanzi sagt, sie geht nimmer hin zu die Madln. Da soll’s jetzt im Turnanzug a Vorstellung geben. Und das erlaubt der Stanzi ihre Mutter net. Und die Stanzi sagt, sie ist auch allaweil zu müd für das Rumhopsen. Sie muß ja nach der Schul auf’m Feld arbeitn.«
    Eine Weile kauten sie weiter. Therese hatte ihren zweiten Apfel fast schon verschlungen, als Maxl sagte: »Sie, Frau Doktor, glauben S’ auch, daß der Hitler den Krieg verliert?«
    »Max, so etwas darfst du nie laut sagen.«
    »I sag’s ja net laut, aber der Urban Xaver hat’s beim Altwirt erzählt, und die Kellnerin hat es dem Papa angezeigt.«
    »Und woher weißt du das?«
    »Ich hab ghört, wie der Papa es am Kerzl gsagt hat. Und der Papa hat gsagt, daß er nicht will, daß der Xaver wegen so einer saudummen Sache nach Dachau kommt.«
    Offenbar hatten es die Wieshamer nicht allzusehr mit der Diplomatie. Sie machten ihren Herzen überall Luft. Ein Bauer von Wiesham hatte nach einem Bombenangriff wieder einmal geschimpft, daß

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