Beschuetze mich - liebe mich
kurz auf und verlangte nach Saft. Sie bekam ihn. Chaz unterhielt die Kleine auch weiter, während Lacey schnell einen kleinen Koffer und die Große-Mädchen-Tasche für ihre Tochter packte.
Dann machte sie sich für die Arbeit fertig.
Als Lacey in die Dusche stieg, fühlte sie einen Schmerz, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Chaz hatte nicht gesagt, dass Ruth die Stalkerin war, aber er hatte gesagt, dass er es vermutete. Lacey wollte es nicht glauben, aber zugleich vertraute sie ihm. Er verstand seinen Job und machte keine Fehler.
Letzte Woche hatte er angedeutet, dass Stalker oft unter Persönlichkeitsstörungen litten. War Ruth deshalb immer so anders gewesen als sie? Um so schreckliche Drohungen aufschreiben oder sie am Telefon mit elektronisch verzerrter Stimme aussprechen zu lassen, mussten in ihrem Gehirn Prozesse vorgehen, die Lacey nicht nachvollziehen konnte. Es stimmte sie ungeheuer traurig, dass die dunkle Seite ihrer Schwester auf so schreckliche Weise zutage getreten war.
Wenn Ruth tatsächlich schuldig war, wie oft würde sie Lacey noch mit Nachrichten verängstigen, bevor sie ihre Drohungen wahr machte? Chaz hatte gesagt, dass die meisten weiblichen Stalker nicht gewalttätig wurden. Aber was, wenn Ruth eine Ausnahme war? Lacey lief es kalt den Rücken herunter, als sie daran dachte, dass sie Abby so lange in Ruths Obhut gelassen hatte …
Du willst ja auch, dass Abby in Sicherheit ist. Der Stalker muss festgenommen werden, damit du nie wieder Angst um sie zu haben brauchst. Du bist die stärkste Frau, die ich kenne, Lacey Pomeroy. Ich weiß, dass du es schaffst, dir noch eine Weile nichts anmerken zu lassen.
Um Abby zu beschützen, würde sie alles tun.
Sie zog frische Jeans und ein hellblaues Top an. Als sie ihr Haar bürstete, sah sie im Spiegel, dass sie schon ein wenig braun war. Ihre Lippen fühlten sich trocken an, daher trug sie gleich zwei Schichten bronzefarbenen Lippenstift auf.
In ihrem Zimmer rief sie ihre Mutter an und bat sie, sich um Abby zu kümmern, damit sie morgen früh Zeit sparte. Wie immer war ihre Mutter wunderbar. Lacey legte rasch wieder auf. Was sie ihr noch zu sagen hatte, war nichts für Telefon.
Mit Abbys Koffer und der Große-Mädchen-Tasche ging Lacey ins Wohnzimmer.
Ruth war gekommen. „Wieso trägst du keinen Hut?“, waren ihre ersten Worte. „Du siehst aus wie ein Hummer.“
Lacey hatte den Spott ihrer Schwester jahrelang ertragen. Das hier war nichts Neues. „Ich habe vergessen, zum Fußballspiel einen mitzunehmen.“
Chaz, der mit Abby und ihren Matroschkas spielte, warf ihr einen Blick zu. „Der wäre dir vom Kopf geweht. Oder Abby hätte ihn aufgesetzt, stimmt’s, mein Schatz?“
„Warum ist Abby noch auf?“
„Da wir morgen sehr früh zum Flughafen müssen, schläft sie heute bei Mom. Tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid gesagt habe, aber wir haben es gerade erst beschlossen. Du hast den Abend frei.“
„Perfekt“, sagte Ruth und lächelte seltsam. „Eigentlich wollte ich es dir ja erst erzählen, wenn du nachher heimkommst. Ich kann mich nicht länger um Abby kümmern.“
Lacey erstarrte. Das passte zu dem, was sie von Chaz erfahren hatte. „Was soll das heißen? Hast du einen Job gefunden?“
„Nein. Ich suche mir einen. In Denver.“
„Denver?“
„Warum nicht? Hier hatte ich kein Glück. Keine Angst, ich mache das Gästezimmer sauber, bevor ich aufbreche.“
„Du meinst, du willst die Nacht hindurch fahren?“
„Natürlich. Tagsüber sind mir die Straßen zu voll. Mom passt bestimmt auf Abby auf, bis du einen neuen Babysitter hast.“ Ruth verschwand in ihrem Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Lacey wagte nicht, Chaz anzusehen. Aber sie wusste auch so, was er dachte: Ruth hatte nicht die geringsten Skrupel, sie im Stich zu lassen und Abby ohne Vorwarnung bei ihrer Mutter abzuladen. Auf die Idee, dass ihre Familie sie in dieser kritischen Situation brauchte, schien sie nicht zu kommen. Laceys Schwester war immer impulsiv gewesen.
Ruth ist auf der Flucht. Ihr Verhalten bestätigte Chaz’ Verdacht. Lacey hatte ihm nicht glauben wollen und sich an die leise Hoffnung geklammert, dass Ruth unschuldig war, aber ihre Schwester machte es ihr schwer. Sie fröstelte.
Schweigend ging sie mit Chaz zum Wagen. Erst auf der Fahrt zu ihrer Mutter sah er sie an. „Noch ist nicht endgültig bewiesen, dass Ruth die Stalkerin ist. Aber jetzt verstehe ich, warum sie so oft den Job gewechselt hat. Ich weiß, wie hart es dich
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