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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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heutigen Tag   – nein.«
    Ich stellte mich mit dem Rücken zum Feuer, um mir die Beine zu wärmen. Jetzt konnte ich Genevieve wieder wie jemanden betrachten, der einfach psychische Probleme hatte, und musste mich nicht länger darauf fixieren, dass sie mich auf abnorme Weise in der Hand hatte.
    »Ich bin inzwischen erwachsen genug, um beurteilen zu können, dass du Genevieves Mum unmöglich hättest retten können. Jeder würde bestätigen, dass du nicht falsch gehandelt hast.«
    »Jeder außer Genevieve«, betonte Mum.
    Ich kannte Genevieve so gut, dass ich wusste, dass dies mehr als wahrscheinlich war, doch erst mal kam es darauf an, Mum zu beschwichtigen. »Sie wird es schon verstehen.«
    Mum richtete sich plötzlich kerzengerade auf. »Ich glaube nicht, dass sie sehr stabil ist.«
    Es schien mir nicht der richtige Zeitpunkt zu sein, um Mum darüber aufzuklären, wie gestört Genevieve tatsächlich war. Ich weiß bis heute nicht, wie sie es geschafft hatte, uns ausfindig zu machen, aber in jedem Fall musste sie die Fakten in ihrem Kopf so verdreht haben, dass Mum an irgendetwas die Schuld trug. Und es war auch leicht nachzuvollziehen, wieso sie mich hasste   – ich hatte eine Mutter und sie nicht, was wohl der Grund für ihre ständigen Drohungen war, dass sie sich mein Leben aneignen würde.
    So saßen wir schweigend da und lauschten dem Sturm, der draußen tobte. Es war schön, sich gemeinsam so einzuigeln und zu spüren, dass die Distanz zwischen uns aufgehoben war. Ich wollte meinen Kaffee trinken, doch der war mittlerweile kalt geworden. Mum brütete noch über etwas und ich wartete, bis sie das Gespräch wieder aufnahm.
    »Und   … was hatte Genevieve für eine Kindheit? War sie sehr unglücklich?«
    Ich verdrehte die Augen. »Nach allem, was ich gehört habe   … war sie wohl ein Problemkind. Viele Leute haben versucht, ihr zu helfen, aber am Ende war sie jedes Mal allein.«
    Die Wirkung meiner Worte war erschreckend. Mum sah erschüttert aus und biss sich auf die geballte Hand. Dann fing sie an zu weinen und heftige Schluchzer ließen sie am ganzen Körper erbeben. »Ich hätte damals einschreiten sollen, Katy. Wir waren schließlich beide junge Mütter, nur   … ich hatte Gran und Granddad, die mich unterstützten, und sie niemanden   … ein paar Minuten eher und ich wäre vielleicht noch rechtzeitig gekommen   …«
    »Du hattest genug mit deinen eigenen Problemen zu tun«, sagte ich tröstend.
    »Aber ich habe zwei Leben zerstört   …«
    Ich kniete mich neben Mums Stuhl. »Genevieves Mum starb, weil sie nicht von den Drogen loskam, nicht einmal ihrem Baby zuliebe. Sie hat einfach keinerlei Verantwortung übernommen und dafür hat sie einen hohen Preis gezahlt.«
    Mums Mund formte sich wie bei einem verängstigten Kind zu einem kleinen verzweifelten O.
    »Ich habe kein Recht, darüber zu urteilen, ich bin ja selbst so eine schlechte Mutter   …«
    »Du bist gar keine schlechte Mutter«, entgegnete ich. »Ich war weder unglücklich noch habe ich mich vernachlässigt gefühlt.«
    Mum schien immer noch verzweifelt und ich hätte mich ohrfeigen können, dass ich mit der Situation nicht besser klarkam.
    »Es hat mich mein Leben lang verfolgt«, sagte sie weinend. »Seiner Vergangenheit kann man nun mal nicht entkommen, sosehr man sich auch bemühen mag.«
    »Ich werde mit Genevieve reden«, kündigte ich an. »Und sie davon überzeugen, dass du nichts falsch gemacht hast.«
    Eigensinnig schüttelte Mum den Kopf und schob die Unterlippe vor. »Nein, halt dich von diesem Mädchen fern. Sie will es mir jetzt heimzahlen   … und missbraucht dich dafür.«
    »Jetzt aber nicht mehr«, sagte ich. »Sie kann mich nicht mehr treffen, weil ich die Wahrheit kenne.«
    Mum sackte in sich zusammen. »Die Wahrheit ist nicht immer das, wofür wir sie halten«, presste sie hervor.
    Es hatte keinen Sinn, dem noch etwas hinzuzufügen. Mum schien mit ihren Gedanken an jenem Ort zu sein, an den ich ihr nie folgen konnte. Ich half ihr ins Bett zurück und in weniger als fünf Minuten war sie eingeschlafen. Ich sah sie eine Weile an. Ich hatte gedacht, dass ihr Geständnis eine Last von ihr nehmen würde, doch das schien nicht der Fall zu sein. Selbst im Schlaf war ihre Stirn zerfurcht und ihre Mundwinkel zuckten, als erinnere sie sich an etwas. Aber immerhin hatte sie einen Anfang gemacht und das war der erste Schritt, um wieder gesund zu werden. Zwischen uns gab es keine Geheimnisse mehr.
    Ich schickte Luke

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