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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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erwartet und ihr Gesicht wurde so rot, dass es mich in eine Art Machtrausch versetzte. Ich hatte einen Riss in ihrer Fassade entdeckt und beschloss, genau dort weiterzumachen. Während der folgenden Stunde lachte ich viel, wandte mich auf meinem Stuhl hin und her und gab pausenlos ein fröhlich schrilles Geschnatter von mir, um allen zu demonstrieren, wie außerordentlich gelassen ich war.
    Ich achtete darauf, Genevieve in jedes Gespräch mit einzubeziehen, und sprach sie auch ständig mit ihrem Namen an, den ich sogar zu Gen abkürzte. Ihre grünen Augen wurdenimmer größer vor Abscheu, während meine eigenen eine Härte ausstrahlten, die mir selbst neu war. Die schlechten Schwingungen zwischen uns waren so stark, dass ich meinte, jeder hier im Saal müsse sie spüren, aber in den Gesichtern von Nat und Hannah war nichts dergleichen zu erkennen.
    Doch nach einer Weile geschah etwas sehr Merkwürdiges   – Genevieve fing nämlich an, wie eine welkende Blume zu erschlaffen. Je mehr ich agierte und je mehr ich sprach, umso schwächer wurde sie   – es war, als würden wir Tauziehen spielen und ich als die Gewinnerin hervorgehen. Ich blinzelte, weil ich dachte, ich sähe vielleicht nicht richtig. Aber tatsächlich wurden Genevieves Augen stumpf, ihre Haare schienen allen Glanz zu verlieren und ihre Stimme versiegte, bis sie nur noch Einsilbiges von sich gab. Jetzt war sie die Unscheinbare von uns beiden, während ich strahlte.
    Nach dem Lunch gingen Nat und Hannah in ihre jeweiligen Kurse, sodass Genevieve und ich allein zurückblieben. Ein Teil von mir fand diese Situation tatsächlich reizvoll, obwohl ich mich bemühte, das Dauerlächeln aus meinem Gesicht zu bannen.
    »Du findest dich wohl ganz besonders schlau«, sagte sie.
    »Nein.«
    »Was immer du da ausheckst, es wird dir nicht gelingen.«
    »Du bist doch hier diejenige, die die Spielchen spielt.«
    Sie trat näher an mich heran und hypnotisierte mich beinahe mit ihren Augen. »Unterschätz mich nicht, Katy. Das alles ist kein Spiel   – da kannst du dir sicher sein.«
    Ich baute mich vor ihr auf, streckte den Rücken undreckte das Kinn. »Es ist so offensichtlich, dass du nach Aufmerksamkeit heischst, egal auf welche Weise.«
    Und sie antwortete in drohendem Ton: »Hör auf mit deiner Laienpsychologie   … du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast.«
    Ich tat so, als würde ich vor ihr erschaudern. »Ooooh, du machst mir aber Angst.« Sie regte keinen Muskel und es gelang ihr, mich sehr lange anzustarren, ohne eine Wimper zu rühren. Schließlich musste ich aufgeben und den Blick abwenden. »Ich habe nichts gegen dich, Genevieve, und ich bin auch nicht nachtragend.«
    »Offensichtlich strenge ich mich noch nicht genügend an. Wenn das hier vorbei ist, wirst du mich so hassen, dass du   …«
    Der Rest des Satzes blieb unausgesprochen. Ich erinnerte mich an Lukes Ratschlag, gelassen zu bleiben, und schenkte ihr mein wohlwollendstes Lächeln. »Wir beide sind sehr unterschiedlich, Genevieve. Ich fühle überhaupt nicht so wie du. Wenn du es unbedingt wissen willst   … du tust mir leid   … all dieser Hass in dir muss dich ja auffressen.«
    Sie sah mich verächtlich an, warf sich die Tasche über die Schulter und wandte sich zum Gehen. »Du täuschst dich«, sagte sie entspannt. »Er hält mich wach und macht mich stark.«
    Als ich die Cafeteria verließ, lief ich Merlin in die Arme, aber er machte erst einmal einen Schwenk, ging ein paar Schritte zurück und musterte mich von unten bis oben.
    »Irgendwas ist anders an dir.«
    »So?«, fragte ich kokett. Ich musste in keinen Spiegel sehen, um zu wissen, dass er recht hatte.
    »Du siehst heute umwerfend aus   … nein .. ich meine, du siehst natürlich immer umwerfend aus, aber heute ganz besonders   … und deine Augen leuchten so.«
    Er beugte sich zu mir und ließ seine Finger durch meine Locken gleiten. »Wenn das Bild von dir fertig ist, dann möchte ich, dass es dein Gesicht genau so widerspiegelt, wie ich es jetzt sehe, in dieser Sekunde.«
    Ich nahm ihn an der Hand und zog ihn in eine Türnische; mir war völlig egal, ob der Leiter des Colleges an uns vorbeiging und uns wegen unangemessenen Verhaltens zeitweise von den Kursen ausschloss. Mir brannten die Wangen von Merlins langen heißen Küssen. Wie hatte ich mir nur einbilden können, dass Genevieve ihn mir nehmen könnte?
    »Katy, lass uns von hier verschwinden«, sagte er mit heiserer Stimme. »Wir schleichen uns einfach davon,

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