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Besessene

Besessene

Titel: Besessene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Hayes
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eingedöst sein, aber am nächsten Morgen war ich mit den Nerven am Ende. Innerhalb von fünf Minuten fiel mir erst eine Müslischale aus der Hand und dann schüttete ich eine Tasse Kaffee über den ganzen Tisch. Mum schien es allerdings gar nicht aufzufallen. Als wir uns voneinander verabschiedeten, konnte ich ihr nicht in die Augen sehen. Ich war mir sicher, dass sie meinen Verrat sofort darin entdecken würde, aber dann strich sie mir nur den Kragen glatt und gab mir einen Kuss auf die Wange. Sie war geradezu fröhlich und das machte meine Täuschung umso schlimmer. Auf dem Weg zum College führte ich eine Art Streitgespräch mit mir selbst.
    Warum sollte sie denn was merken, Katy? Du tust doch gar nichts Ungewöhnliches, du übernachtest lediglich bei einer Freundin. Sinn und Zweck der ganzen Vorbereitungen war doch nur, dass sie keinen Verdacht schöpft. Du hast jede Eventualität bedacht. Hör jetzt auf, ein schlechtes Gewissen zu haben, es ist nur eine kleine Lüge.
    Merlin und ich warfen uns den ganzen Tag über fiebrig verschwörerische Blicke zu, hielten aber bewusst Abstand für den Fall, dass einer von uns   – und höchstwahrscheinlich ich   – sich verplapperte. Es war der beste Auftritt meines Lebens: Nach außen hin gab ich mich cool und gelassen, aber innerlich schlug mein Magen Purzelbäume. Als wir aufbrachen, umarmten Nat und Hannah mich einmal mehr, um mir viel Glück zu wünschen, und winkten etwas wehmütig. Ich warf noch einen Blick zurück und sah, dass uns die beiden nachschauten, was mich kurioserweise einwenig traurig machte. Wir waren gerade erst am Fuß der Collegetreppe angekommen, als ich eine SMS bekam.
    Katy, könntest du bitte erst zu Hause vorbeikommen, bevor du zu Hannah gehst

Mum
    Ich machte ein langes Gesicht. Wir hatten Fahrkarten für den Zug um 16.30   Uhr gebucht, sodass uns nur noch eine Stunde blieb, um den Rucksack zu holen und den Zug zu erreichen.
    Ich fing an, auf Merlin einzureden. »Ich sause schnell nach Hause, finde raus, was meine Mutter von mir will, und treffe dich dann am Bahnhof. Es wird nichts Wichtiges sein.« Ich küsste ihn hastig. »Keine zehn Pferde können mich davon abhalten, in diesen Zug zu steigen. Vielleicht ist es ja sogar sicherer so   … falls uns gewisse Leute beobachten.«
    Ich verfiel in diese schnelle Gangart, bei der man eigentlich fast läuft und trotzdem wie ein Lahmarsch wirkt, was mir egal war. Mum zitierte mich ja ständig wegen irgendwelcher Belanglosigkeiten herbei, aber wenn sie mich jetzt sah, dann war es weniger wahrscheinlich, dass sie mich später noch einmal belästigen würde. Ich fiel mehr oder weniger mit der Eingangstür ins Haus, und weil es keinerlei Hinweis darauf gab, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, rief ich mein übliches ›Hallo‹, als eine Gestalt mit wächsernem und wutverzerrtem Gesicht aus dem Dunkeln auf mich zutrat. Die Tasche glitt mir aus der Hand und plumpste auf den Boden der Diele. Eine Ewigkeit lang sagte keine von uns ein Wort. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und fragte flüsternd: »Was ist denn los?«
    »Das hier   … war heute Morgen in der Post«, sagte Mumheiser, wohl den Tränen nahe. »Noch mehr Lügen, Katy, noch mehr Schwindel, noch mehr   … Merlin.«
    Der Brief in ihrer Hand sah so zerknittert aus, dass ich mich fragte, ob sie ihn den ganzen Tag umklammert hatte. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihn ihr abzunehmen. Als Erstes fiel mir Merlins Name auf dem Umschlag auf, darunter aber unsere Adresse. Ich entnahm ihm mit zitternden Händen ein einzelnes Blatt Papier; es war die Quittung vom Campingplatz samt Buchungsbestätigung und Datum von heute. Ich erstarrte vor Schreck und war nicht in der Lage, auch nur einen Muskel zu rühren. Ich muss den Brief ewig lange angestarrt haben, bemüht, mir meine Schuldgefühle nicht anmerken zu lassen, aber schließlich war ich gezwungen, Mum anzusehen. Sie blinzelte kein einziges Mal und mir kam es vor, als blicke ich in einen Abgrund. Mir wurde schlecht, als ich in Gedanken zu den verheerenden Konsequenzen vorspulte.
    »Du hast also die Übernachtung bei Hannah als Tarnung arrangiert?«
    »N-nein«, sagte ich beteuernd. »Merlin und ich haben mal   … aus Spaß über so etwas gesprochen, aber wir hatten es nicht wirklich vor.«
    Mum fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Aha, und warum macht Merlin dann eine Buchung für den gleichen Tag, an dem du deine Übernachtung bei Hannah geplant hast   … wenn ihr euch

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