Besessene
Nat.
»Sie sind mehr als okay«, gab ich zu und schlang die Arme um Nat. »Es freut mich wirklich sehr für dich, dass dir die Party so gefallen hat, ganz ehrlich; und hab bloß keine Schuldgefühle wegen mir. Die nächste Party verpasse ich bestimmt nicht.«
Nat bewegte schon die Maus, um das Programm zu beenden, als die nächsten Fotos hereinkamen. Nat zögerte erst und erstarrte dann. Ich folgte ihren Augen, die auf das prominente Kernstück dieser neuen Fotoserie stierten, und es gelang mir nicht, die meinen abzuwenden, obwohl ich es mir sehnlichst wünschte.
›Ich bin dein schlimmster Albtraum!‹ –
das hatte Genevieve zu mir gesagt, als wir uns zum ersten Mal begegnet waren, und jetzt sah ich ihn direkt vor mir, unauslöschlich und für alle Zeiten ins Gedächtnis eingeprägt: Genevieve und Merlin, eng umschlungen miteinander tanzend. Sie hatte ihre Arme um seinen Hals gelegt, er sah mit schmachtendem Blick auf sie herab. Das Schlimmste daran war – ich kannte diesen Blick, denn so hatte mich Merlin immer angesehen.
K apitel 23
D as ist ja reizend, dass jemand diese Aufnahme gemacht hat«, sagte ich sarkastisch. »Ich kann mich glücklich schätzen, dass Merlin mich so sehr vermisst hat.«
Nat lachte schrill. Sie schien nervös zu sein. »Da war nichts, Katy, wirklich nicht. Es war nichts weiter als ein Scherz spätnachts. Wir haben alle – wirklich alle – Cheek-to-Cheek getanzt, so wie in den guten alten Zeiten … und haben dann Partnertausch gemacht. Dieses Foto hat überhaupt nichts zu bedeuten … Merlin hat sich nach dir – und nur nach dir! – verzehrt.«
Was immer Nat auch sagen oder mir verständlich machen mochte – die Kamera log nie. Schon Genevieve hatte mich irgendwann mal darauf aufmerksam gemacht und völlig recht damit gehabt. Der Augenblick mochte nur eine Sekunde lang gedauert haben, doch jetzt war er wie eingefroren in der Zeit, und wenn ich Merlin sah, dann würde ich mich an nichts anderes mehr erinnern können. Ich fing an, auf und ab zu gehen, um einen klaren Gedanken zu fassen, musste aber meinem Unmut freien Lauf lassen.
»Ich weiß, dass sie von Anfang an auf Merlin stand und nur auf die passende Gelegenheit gelauert hat, ihn endlich anmachen zu können.«
»So ist es aber nicht gewesen«, sagte Nat geduldig. Sie saß an ihrer Frisierkommode, entfernte das Make-up des gestrigen Abends und versuchte, ihre Haare zu entwirren. »Die Party war nicht ohne dich geplant, Katy. Vergiss nicht, dass wir mit dir gerechnet haben, weil du mit Merlin verabredet warst.«
Das stimmte zwar, hob meine Stimmung allerdings ganz und gar nicht. »Ich weiß ja, Nat, aber ich wurde nun mal aufgehalten und SIE hat es genau gewusst.«
Nat drehte sich zu mir um und sah mich mit ihren ruhigen grauen Augen an. »Und woher sollte sie das wissen? Hellseherei oder reine Telepathie?«
»Keine Ahnung«, sagte ich schmollend, »aber gewusst hat sie es. Sie kann hervorragend manipulieren, ist raffiniert und schlicht und einfach …«
›Böse‹ lag mir auf der Zunge, aber ich hielt mich gerade noch zurück. So viel zum Thema cool zu sein und Genevieve mit ihren eigenen Waffen zu besiegen. Doch sie hatte mich nun einmal dort getroffen, wo es am meisten schmerzte – bei Merlin. Nat klopfte auf ihren gepolsterten Stuhl und machte mir ein Zeichen, mich neben sie zu setzen. Ich kam mir vor wie eine Fünfjährige, die man gleich schimpfen würde.
»Hör zu, Katy, ich weiß genau, wie es dir geht«, begann sie ihre kleine Rede. »Genevieve ist witzig, schlau und sehr, sehr hübsch und ihr zwei scheint auch die gleichen Vorlieben zu haben, aber … ganz bestimmt ist sie nicht das, wofür du sie hältst.«
»Du siehst halt immer nur das Gute in den Menschen«, entgegnete ich liebevoll, »das ist ja vielleicht dein Problem.Stell dir mal vor, es ginge hier um Adam, wie würdest
du
dich dann fühlen?«
Nat ging gar nicht darauf ein. »Du hast dich so verändert, seit sie da ist«, sagte sie und zupfte an meinen Haaren. »Weißt du überhaupt noch, wie viel Spaß wir immer zusammen hatten?«
»Das haben wir doch immer noch … oder?«
Nat senkte den Kopf und spielte mit den Knöpfen an ihrem Schlafanzugoberteil.
Was Nat da sagte, war ganz fürchterlich. Wenn
sie
sich schon mit mir langweilte, was mussten dann alle anderen von mir denken?
»Ich weiß ja, Katy, dass die letzten Monate sehr schwer für dich gewesen sind … und dass ihr zwei euch aneinander reibt,
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