Besser so als anders
Exfrau zweitausendfünfhundert Meilen von jenem Ort weggezogen war, an dem Joe einem anständigen Job nachgehen konnte, um seinem Kind Unterhalt zu zahlen.
Joes Exfrau hieß Rachel und war Lehrerin. Sie und die gemeinsame Tochter Cynthia wohnten in Maine in der Nähe von Rachels Familie. Die Alimente, die Joe zahlte, deckten den Großteil der Kosten für die beiden, weshalb er in Nevada geblieben war, wo er zumindest in seinen Augen ein gesichertes Einkommen hatte. Man konnte ihm viel nachsagen, aber nicht, dass er ein Rabenvater war. Er verhielt sich immer sehr großzügig.
Wenn Donna ihn also angriff, antwortete er immer: »Können Lehrer nicht überall arbeiten? Warum zum Teufel wohnt Rachel dann jetzt in Maine? Das war doch eine bewusste Entscheidung!« Und damit endete für gewöhnlich das Gespräch.
Vor etwa einer Woche allerdings hatte Joe ein Telefonat mit Donna geführt, das ihm richtig zugesetzt hatte. Sie hatte ihn angerufen und gefragt, wo er während des Hochzeitswochenendes übernachten würde. »Hier kannst du nämlich nicht wohnen«, klärte sie ihn in nicht besonders freundlichem Ton auf.
Joe hatte sie in ihren Markenfitnessklamotten förmlich vor sich gesehen. Donnas Leben drehte sich vorwiegend um Yoga und Joggen. Sie hatte auch ihrer Tochter einen Komplex wegen ihres Aussehens und ihres Gewichtes eingeredet, weshalb er immer versucht hatte, Bee mit Komplimenten aufzurichten, wenn er zu Besuch kam.
Beim Klang von Donnas Stimme bereute er sofort, die Einladung überhaupt angenommen zu haben. »Ich hatte auch gar nicht vor, bei euch zu übernachten«, sagte er verteidigend.
»Matts Eltern übernachten im Gästezimmer – Matt ist übrigens Bees Verlobter – , und meine Eltern schlafen in Bees Zimmer. Wir haben kein Bett mehr frei.«
»Donna, ich habe ein Zimmer in einem Hotel reserviert, und ganz nebenbei weiß ich, wer Matt ist. Du musst mir nicht erklären, wen meine Nichte heiratet.«
»Na schön. Ach, Joe, und vergiss nicht, auf der Hochzeit besteht Smoking-Zwang.«
Joe stöhnte. »Donna, auf der Einladung steht ›Smoking oder dunkler Anzug‹. Ich besitze ein sehr schönes Exemplar, das passt schon.«
»Sieh einfach zu, dass du ordentlich aussiehst.«
Joe nahm Donna ihre Belehrungen übel – er hatte in ihrer Gegenwart immer gepflegt ausgesehen. Ja, er hatte zu früh geheiratet und sich bald wieder scheiden lassen, er lebte in Las Vegas und hatte eine Tochter, die er kaum sah, doch er wusste ganz genau, wie man sich passend kleidete. Genauer gesagt war es schon immer eine seiner besonderen Fähigkeiten gewesen, sich geschmackvoll zu kleiden. Joes Bruder Richard war hingegen wie ihr Vater – ein Mann, der vorwiegend irgendwelche braunen Hosen und schlecht sitzende Hemden im Kleiderschrank hatte. Doch Joe hatte stets Wert auf ein elegantes Auftreten gelegt. Er wirkte stets adrett gestylt und verfügte über einen begehbaren Kleiderschrank, gefüllt mit erstklassigen Anzügen und schicken Schuhen. Er hatte sich dem Lebensstil seiner Stadt gut angepasst, doch wenn er die Familie an der Ostküste besuchte, fiel ihm immer wieder auf, dass die meisten Leute aus den Vorstädten sich am wohlsten fühlten, wenn sie sich unauffällig und durchschnittlich kleideten. Besonders die Frauen liebten Joes Stil, was praktisch war, denn Joe liebte die Frauen ebenso. Am liebsten baggerte er Touristinnen an, und davon gab es täglich Tausende.
Seine kleine Firma belieferte an die zweiundvierzig Restaurants im Casino-Viertel, die meisten davon befanden sich in Hotels. Seine Nachmittage verbrachte er vorwiegend damit, mit den Restaurantleitungen die Lieferungen zu besprechen. Danach blieb er meistens zu einem kostenlosen Essen, das er mit jenem Silberbesteck verzehrte, welches er dem jeweiligen Betrieb geliefert hatte. Abends besuchte er eine der Hotelbars, wo er Singlefrauen ansprach, die vielleicht auf einem Junggesellinnenabschied waren oder, im Frühling, Studentinnen auf Urlaub. Alle zwei Monate flog er nach Reno. Von dort bekam er die meisten neuen Aufträge. Fast ein Dutzend neuer Restaurants waren dort seit dem Immobilienboom aus dem Boden geschossen und hatten mit seiner Firma Verträge geschlossen, weil sie erstklassiges Besteck, Messer oder Essstäbchen brauchten.
Joes Geschäftspartner war ein Freund aus Collegezeiten, der ihm zunächst eine Stelle als Verkäufer angeboten hatte, nachdem Joe erfahren hatte, dass er seiner schwangeren Exfrau Kindesunterhalt würde zahlen müssen. Joe erwies
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