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Besser so als anders

Besser so als anders

Titel: Besser so als anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Goldstein
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glaubte an Schicksal, Karma und Fügung. Da steckt doch ein tieferer Sinn dahinter, dachte er wieder einmal und wischte sich die feuchten Handflächen an der Hose ab. Sein Kopf hämmerte.
    Er blickte an sich hinunter, begutachtete rasch, was er anhatte, und überlegte, was Vicki – diese neue, echte Vicki – davon halten könnte. Eine maßgeschneiderte graue Hose. Ein ausgewaschenes weißes T-Shirt, darüber ein Jackett. Alles in Ordnung. Er blickte wieder auf und wurde sich plötzlich bewusst, dass es wohl an der Zeit war, auf das zu antworten, was Vicki zu ihm gesagt hatte. Doch als er aufsah, war da nur noch der sperrige Gitarrenkoffer, der sich bereits zum Gehen gewandt hatte.
    Joe zuckte zusammen und wollte loslaufen, doch da war sie schon um die Ecke gebogen und verschwunden.

Hannah
    H annah war fertig gestylt, inklusive Make-up und Eyeliner, und starrte aus dem Fenster auf den Rasen des Country Clubs hinunter. Sie kniff die Augen zusammen, damit sie jede noch so ameisenkleine Person mit dunklen Haaren identifizieren und überprüfen konnte, ob es Tom war. Eine dunkelhaarige Ameise schien ihm tatsächlich zu ähneln. Doch als sie genauer hinsah, musste sie erkennen, dass die Schultern des vermeintlichen Doppelgängers zu breit und seine Schritte zu kurz waren. Ihr Magen entspannte sich halb aus Enttäuschung, halb aus Erleichterung, als sie dem ihr unbekannten Mann dabei zusah, wie er sich zu der Familie des Bräutigams setzte. Die Qual würde weiter andauern.
    Nur noch zehn Minuten bis zum Beginn der Trauung – die meisten Gäste waren bereits eingetroffen und umkreisten wie festlich gekleidete Aasgeier die Reihen der weißen Stühle. Paarweise blieben sie stehen, unterhielten sich leise und überlegten, ob sie sich besser vorn, nahe dem improvisierten Altar niederlassen sollten, wo man das Ehegelübde besser würde hören können, oder doch weiter hinten, wo man schneller zu den Toiletten kam.
    Während die Gäste zwischen den Stühlen umherschlenderten, eilten junge Männer in braunen Jacketts über die Terrasse zwischen Rasen und Empfangszelt. Sie stellten Weingläser auf den Tischen bereit und brachten Eiskübel für den Cocktailempfang heraus, damit die Gäste zwischen dem Jawort und der Party, die ungefähr fünfundvierzig Minuten danach beginnen sollte, beschäftigt waren. Vom Fenster im Turm aus wirkten die Gäste auf Hannah wie winzige Tänzer, Paare, die sich im Walzertakt im Kreis bewegten, bevor sie sich schließlich setzten. Hannah stellte sich vor, dass sie jeden Moment Musik hören und sehen würde, wie die Tänzer knicksten und sich verneigten.
    Hannah stellte sich auf die Zehenspitzen und berührte mit ihrer Nase fast die Fensterscheibe, um besser sehen zu können. Sie blinzelte angestrengt, als wäre sie ein Scharfschütze, wobei ihre Augen zwischen den Figuren auf dem Rasen hin und her wanderten.
    Obwohl die Personen sehr klein waren, erkannte Hannah ein paar Gesichter wieder. Zum Beispiel die beiden Typen, die im ersten Studienjahr in dem Apartment über Bee gewohnt hatten. Sie hielten zwei ähnlich aussehende Frauen am Arm, vermutlich ihre Ehefrauen. Dann erkannte Hannah Bees Vater Richard, der am Rand des Anwesens ein Gespräch mit dem Pastor führte. Hannah entdeckte auch ein paar Mitglieder von Bees und Matts großen Familien, die schon beim Probeessen am Vorabend dabei gewesen waren.
    Hannah wischte mit den Fingern über die Scheibe, auf der sie mit ihrem Atem vor Aufregung einen kleinen Kondensfleck hinterlassen hatte. Unsicher rieb sie sich ihre halb nackte Brust. Ihr schwarzes Brautjungfernkleid war tief ausgeschnitten und entblößte mehr Dekollet é , als sie gewohnt war. Der raffinierte BH , der ihren Busen bis zum Schlüsselbein anhob, ließ das Kleid noch freizügiger wirken.
    Sie starrte weiter in den Garten hinunter und presste dabei ihre Fingernägel, die zum ersten Mal seit dem College manikürt und lackiert worden waren, in die Fensterbank. Das alte Holz war weich. Ihre Nägel hinterließen Abdrücke, und ein paar Splitter brauner Farbe und roten Nagellacks fielen auf den sauberen Holzboden. Hannah steckte die Finger in den Mund und überlegte, ob sie sich wohl auf diese Art eine Vergiftungzuziehen könnte. Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie die Farbsplitter über ihre Zunge in den Kopf wanderten, ihre Gehirnzellen abtöteten und sie von allen Qualen befreiten.
    »Hannah!«, hörte sie auf einmal Dawns scharfe Stimme hinter sich.
    Sie wirbelte herum und

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