Besser so als anders
sich als ausgezeichneter Verkäufer und scheffelte mehr Geld, als er und sein Freund für möglich gehalten hätten. Innerhalb eines Jahres hatte sein Freund ihn zum Geschäftspartner gemacht.
Joe liebte seinen Job, nur nicht die Reisen nach Reno, denn das war seiner Meinung nach die echte Stadt der Sünde. Wenn er dort ankam, wurde er sofort depressiv. Reno war wie das schlimmste Viertel in Vegas. Alte Damen, die ihre Rente in Spielautomaten versenkten. Feuchtfröhliche Junggesellenabschiede ohne Mädchen. Unattraktive Pärchen, die sich um Geld stritten.
Doch letztes Jahr war Joe in Reno Victoria begegnet. Sie war dreißig, Akademikerin, und nannte sich Vicki. Sie hatte kurzes schwarzes Haar und sah wie eine halbasiatische Ausgabe der Fee aus Peter Pan aus. Sie hatte an der japanischen Steakhouse Bar gesessen, an ihrem Wein genippt und einen Kampfkunstfilm aus den Siebzigerjahren angesehen, der in einer Endlosschleife auf einem Flachbildschirm des Restaurants lief. Ihr Blick war glasig gewesen. Nicht weil sie betrunken, sondern weil sie müde war. Er ging ohne sein übliches Selbstvertrauen auf sie zu und fragte sie schüchtern, ob er ihr den nächsten Drink ausgeben dürfe.
»Nein danke, ist schon in Ordnung«, antwortete sie mit überraschend tiefer Stimme.
»Und was wäre, wenn ich Ihnen sagte, dass ich ihn gar nicht bezahlen muss?«, konterte Joe.
Die Frau warf ihm einen verwirrten Blick zu.
»Das Restaurant ist mein Kunde. Ich beliefere es. Ich muss nie bezahlen, wenn ich hier bin. Wir könnten Ihren Drink auf meine Rechnung setzen lassen.« Er hob zum Zeichen der Kapitulation die Hände. »Ohne Hintergedanken! Sie sehen einfach aus, als könnten Sie einen kleinen Gratis-Drink gebrauchen.«
Die Frau lächelte zaghaft. »Na gut … wenn Sie ihn nicht bezahlen müssen … Okay. Danke.«
Nach vier weiteren Drinks hatte sie eingewilligt, ihn auf sein Zimmer zu begleiten. Die Entscheidung schien sie selbst zu überraschen, sie schüttelte den Kopf und setzte ein schwaches Lächeln auf, als sie sich vor seinem Bett auszog, während er ihr zusah.
»So etwas habe ich noch nie getan«, sagte sie. »Aber das sagen bestimmt alle.«
»Nein, ich glaube dir«, antwortete Joe. »Ich tue das ständig«, gab er dann zu seiner eigenen Überraschung zu.
Vicki stand nackt vor ihm, zuckte die Achseln und lächelte ihn mit halb gesenkten Augenlidern an. »Danke für die Aufrichtigkeit.«
Der Sex mit ihr war fantasielos und deprimierend gewesen. Vicki schien bedrückt, als wäre sie nur mit ihm ins Bett gegangen, um etwas anderes zu vermeiden. Trotzdem hatte alles eine gewisse Tiefe besessen, jedenfalls für Joe. Er hatte sich gedacht, dass sie jemanden wie ihn brauchte, dass es einen Grund gab, weshalb sie eine für sie so untypische Nacht mit ihm verbracht hatte, statt auf ihr Zimmer zu gehen und Fernsehen zu schauen. Er wollte mehr über sie wissen und sie wiedersehen. Doch er war nicht auf den Gedanken gekommen, sie nach ihrem Nachnamen zu fragen. Und als er aufwachte, war sie verschwunden.
Joe eilte sofort hinunter in das japanische Restaurant, um zu sehen, ob er ihren Namen oder ihre Zimmernummer vom Barmann in Erfahrung bringen konnte, doch der erinnerte ihn daran, dass alle Drinks für sie ja auf seine Rechnung gegangen waren.
Joe hätte an jenem Abend eigentlich nach Las Vegas zurückkehren müssen, doch er verschob seinen Flug um einen Tag. Er setzte sich noch einmal an die Bar in der Hoffnung, sie würde zurückkommen und nach ihm suchen. Doch das tat sie nicht. Gegen zwei Uhr morgens ging er deprimiert auf sein Zimmer. Er konnte sich noch nicht einmal erinnern, was Vicki ihm über den Job ihres Vaters gesagt oder wo sie studiert hatte. Er überlegte, den Sicherheitsdienst des Hotels zu bitten, sich die Aufzeichnungen der Überwachungskamera anschauen zu dürfen. Doch darauf hätten sie sich niemals eingelassen. Er hätte wie ein Stalker gewirkt.
Dann fiel Joe ein, dass sie sich ihrerseits an das Restaurant wenden und den Barmann fragen könnte, wer genau da eigentlich ihren Wein bezahlt hatte. Doch die Monate gingen ins Land und nichts geschah. Vicki war ein Phantom.
Jetzt hatte Joe eine Freundin. Vor vier Monaten war er Sarah begegnet, mit der er sich seitdem regelmäßig traf. Sie arbeitete an der Rezeption im Wynn Hotel, studierte Hotelmanagement in Cornell und war auf strammem Kurs nach oben zur Empfangsleiterin. Sie war einunddreißig Jahre alt, eine hübsche Rothaarige aus guter Familie. Doch Joe
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