Besser so als anders
Die Pillen reichen schon für ein Leichtgewicht wie dich. Trink Wasser.«
»Ich habe während des Fotoshootings schon ein wenig Wein getrunken. Prosciutto. Schmeckt wie Apfelsaft.«
»Wein und Schinken?«
»Nein, ich habe keinen Schinken gegessen. Ich habe Wein getrunken. So was wie Champagner.«
Rob unterdrückte ein Lachen. »Du meinst wohl Prosecco? Prosecco, Hannah, nicht Prosciutto.«
»Was auch immer«, antwortete Hannah. Sie klang plötzlich geistesabwesend. »Weißt du eigentlich, dass ich mir für dich nie einen Schauspieler habe vorstellen können, Rob? Ich habe es versucht, aber ich glaube, du müsstest dich im Film einfach selbst spielen. Gut genug aussehen tust du ja.«
»Hannah«, fuhr Rob fort, ließ den Pillenbeutel auf den Küchentisch fallen und fuhr sich nervös mit der Hand durch das Haar, sodass einige Strähnen zu Berge standen. »Bitte hör mir zu. Kein Wein mehr! Such dir eine Freundin, Vicki oder irgendeine Brautjungfer, und bitte sie, auf dich aufzupassen, damit du heute noch sicher ins Bett kommst!«
Er verstummte, denn plötzlich waren aus dem Bad Schläge zu hören, als trete jemand von innen gegen das Schränkchen unter dem Waschbecken. Dumpfe, hohle Schläge, die die Badezimmertür erzittern ließen. »Hannah, ich muss jetzt auflegen. Bitte pass auf dich auf, ja? Und trink nichts. Alles wird gut.« Rob legte schnell auf und rannte in Richtung des Geräusches.
Als er seine Hand auf den Türknauf legte, hörte er einen weiteren lauten Schlag, gefolgt von einem Jaulen. Er riss die Tür auf und sah Liz, genauer gesagt Liz’ Schwanzspitze. Ihr Kopf steckte hinter der Toilette zwischen dem Porzellanfuß und der gekachelten Wand fest. Ihr Bauch war unter dem Medizinschränkchen eingezwängt, das über der Toilette gehangen hatte und nun heruntergefallen war. Sie schlug wie wild mit dem Schwanz gegen die Wand und gegen die Badewanne. Liz hatte einen epileptischen Anfall – Rob erkannte die typischen Zuckungen sofort–, doch sie steckte zwischen Toilette und Medizinschränkchen in der Falle. Rob stand wie angewurzelt da und versuchte sich zu konzentrieren, dann bemerkte er, dass Liz blutete. Das Schränkchen hatte sich in ihren Bauch gebohrt.
»Herrgott!«, schrie er auf, und seine Stimme hallte im Raum wider. Verzweifelt raufte er sich die Haare. Dann endlich stürzte Rob drei Schritte vor und hob vorsichtig das Medizinschränkchen an. Er schleuderte den schweren Holzkasten voller Toilettenartikel mit solcher Wucht in die Badewanne, dass die Tür zu Bruch ging.
Nachdem ihr Bauch von dem schweren Gewicht befreit worden war, zuckte Liz noch fieberhafter. Rob ging auf die Knie und sah ihr von der anderen Toilettenseite aus ins Gesicht. Sie hatte vor lauter Angst die Augen weit aufgerissen, sah Rob verwirrt und verzweifelt an. Er überlegte, dass sie den Anfall überstanden haben musste – jetzt zuckte sie vor Schmerz, doch ihre Bewegungen waren regelmäßiger als die unfreiwilligen Zuckungen, die die epileptischen Anfälle begleiteten. »Ganz ruhig, Liz«, sagte er, als sie winselte.
Rob rutschte zur anderen Seite der Toilette und sah nach, wie schlimm die durch das Schränkchen verursachte Verletzung war. Doch die Hündin blutete so stark, dass er die Größe der Wunde nicht sehen konnte. Er streichelte ihre Beine und lehnte sich an sie, dann legte er seine Hand auf die Wunde, so wie das die Ärzte in den Krankenhausserien bei ihren angeschossenen Patienten immer machten. »Wir kriegen das schon wieder hin. Wir kriegen das bestimmt hin.« Er nahm die Hand von der Wunde, schob seine Arme unter Liz’ zitternden Leib, zog sie hinter der Toilette hervor und trug sie durchs Haus. Im Wohnzimmer blieb er kurz stehen und griff nach seinem Schlüssel und dem Geldbeutel, die beide auf dem Couchtisch lagen. Mit dem Fuß stieß er die Eingangstür hinter sich zu und kümmerte sich nicht darum abzuschließen. Er küsste Liz auf den Kopf. Wie ein Baby hielt er sie an seine Brust gedrückt, während er mit seiner freien Hand die Hintertür seines alten Audi öffnete. Vorsichtig legte er sie mit ihrem blutenden Bauch auf den Sitz. »Es ist alles in Ordnung, Baby«, wiederholte er, sprang auf den Vordersitz und warf den Motor an.
In dem Moment kamen ihm all die Filme in den Sinn, in denen ein Mann eine stöhnende Frau in den Wehen ins Krankenhaus bringt. Das Radio ging dröhnend an und war auf den Unisender eingestellt, der samstagabends immer alte Hip-Hop-Songs spielte. Liz’ Gewimmer wurde
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