Besser so als anders
Zelt erklingen.
»Das Webster Dictionary definiert Schwesternschaft als den Status zweier Schwestern. Schwesternschaft wird auch als Solidarität zwischen zwei Frauen bezeichnet, die sämtliche Umstände, Erfahrungen und Sorgen miteinander teilen.« Dawn machte eine lange Pause und atmete pathetisch ein. »Das ist alles richtig«, sagte sie mit ernstem Gesicht, »für mich bedeutet Schwesternschaft hingegen einfach nur Bee – meine beste Freundin.«
Mit diesen Worten streckte Dawn ihren Arm zum nahe gelegenen Rednerpult aus und griff nach einem Stapel Karteikarten, auf denen offenbar ihre Rede stand. Der Stapel musste an die fünfzig Karten dick sein. Hannah hörte, wie ein paar Tische weiter einige jüngere Gäste aufstöhnten. Sie legte die Hände über den Mund, um ihr Grinsen zu verbergen. Als Dawn weitersprach und dabei immer wieder dramatische Pausen einlegte, musste Hannah sich das Lachen verkneifen. Sie sah zu Dawns Ehemann hinüber, der die Abwesenheit seiner Frau nutzte, um schnell ein viertes Brötchen mit Butter zu bestreichen, es sich in den Mund zu schieben und nach nur kurzem Kauen hinunterzuschlucken.
»Letztes Jahr hatte ich einen schlimmen Autounfall«, erzählte Dawn nun mit ihrer Glöckchenstimme. »Ich musste flach auf dem Rücken liegen, und der Arzt hatte mir eine Halskrause verordnet. Wer war für mich da? Wer stand mir zur Seite?« Dawn hielt inne.
»Ich hatte nie eine Schwester, wissen Sie«, fuhr sie schließlich fort und ignorierte dabei völlig ihre eigene Frage. Die Stimme hatte sie zur Steigerung der Spannung gedämpft. »Doch jetzt habe ich eine.«
Hannah spürte, wie ihre Arme zu beben begannen. Sie lachte jetzt, zwar leise, doch deutlich hörbar. Ohne dass sie darüber nachdachte, huschte ihr Blick zu Tom, der rechts von ihr nur ein paar Tische weiter saß, um zu sehen, ob auch er diese ganze Rede zum Piepen fand.
Ihr war nicht bewusst gewesen, dass er dort saß, denn sie hatte es sich untersagt, den Raum nach seinem Gesicht abzusuchen. Doch nun hatte sie ihn innerhalb von Sekunden gefunden, als hätte sie schon vorher instinktiv seine Anwesenheit gespürt. Zu ihrer Überraschung blickte auch Tom sie an. Seine Augen wurden groß, als er ihr Grinsen sah. Hannah verzog den Mund zu einem gequälten Lächeln. Tom, der ebenfalls leise vor sich hin gelacht hatte, biss sich auf die Lippe.
Ihre Blicke ruhten auch weiterhin aufeinander, während Dawn ihre nicht enden wollende Geschichte über ihre Rückenoperation erzählte und wie Bee ihr während der langen Rekonvaleszenz oft Essen vorbeigebracht hatte. Es war die selbstbezogenste Hochzeitsansprache, die Hannah je gehört hatte. Sie ging nicht auf Bees frisch angetrauten Ehemann ein und klammerte das Thema Hochzeit an sich völlig aus. Je länger sie redete, desto theatralischer wurde Dawns Vortrag, bis die Atemzüge zwischen ihren Sätzen einem hektischen Japsen glichen.
Toms Freundin Jaime sah nach vorn, während Tom und Hannah gemeinsam den Moment genossen, sich unverwandt ansahen und zunehmend belustigt auf Dawns Ausrufe und hypothetische Fragen, die unbeantwortet in der Luft hängen blieben, reagierten. Sie sahen einander immer noch an, als Dawn das Mikrofon widerwillig Bonnie Hunt zurückgab, die nach dem überlangen Monolog der Trauzeugin die Veranstaltung vorantreiben wollte. Hannahs Lächeln erstarb. Der Moment war vorbei.
Tom quittierte ihren erschrockenen Gesichtsausdruck mit einem traurigen Lächeln. Sein Blick wanderte zu seiner Freundin, die gerade in ihrer Tasche wühlte.
Hannah hatte jetzt keine Lust mehr, den Tisch umzuwerfen. Sie wäre am liebsten zu Tom gelaufen und auf seinen Schoß gesprungen. Sie stellte sich vor, wie Tom ihr ins Ohr flüsterte, dass er sie noch immer liebe. Der kleine Tagtraum wurde jäh vom Kreischen des Mikrofons unterbrochen.
»Und jetzt der Trauzeuge!«, rief Bonnie Hunt und reichte das Mikrofon an Jimmy Fee weiter, den gut aussehenden Bruder des Bräutigams.
Hannah starrte zur Bühne. Obwohl sie immer noch Toms Blick auf sich spürte, starrte sie jetzt Jimmy Fee an, der ohne Zweifel der schönste Mann war, den sie je gesehen hatte. Der würde sogar noch mit einem Filzhut gut aussehen, dachte sie, Justin Timberlake wäre wirklich die perfekte Besetzung für ihn. Doch als sie ihn jetzt unter dem Scheinwerferlicht auf der Tanzfläche sah, dachte Hannah, dass Justin ihm doch nicht so ganz gerecht werden würde.
Jimmy hatte dichtes dunkles Haar, ein Grübchen am Kinn und fast feminine
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