Besser so als anders
Schmerz, Verwirrung und Aufregung empfunden, doch diese Gefühle schienen wie von einer größeren Macht in Schach gehalten zu werden. Also mussten die Pillen ihre Sinne getrübt und alle negativen Gefühle verscheucht haben, die sonst von ihr Besitz ergriffen hätten. Das machte ihr nichts aus, im Gegenteil, sie war Dawn dankbar dafür, dass sie sie so fürsorglich unter Drogen gesetzt hatte. Doch jetzt fühlte sie sich wie Cinderella um Mitternacht. Ihr Körper, der den ganzen Abend wie eine Stretchlimousine geflutscht hatte, drohte nun wie ein Kürbis in sich zusammenzufallen. Sie meinte ein Korsett zu tragen, das jeden Augenblick auseinanderbrechen würde. Hannah versuchte sich wieder zu konzentrieren und mit Jackies Freund Blickkontakt aufzunehmen.
»Sind Sie sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte er erneut und sah Hilfe suchend zu Dawn, die ihren Blick jedoch auf ihren Ehemann geheftet hatte. Der schmierte sich bereits das dritte Brötchen. Jason Segel, dachte Hannah.
»Jetzt hör schon auf!«, zischte Dawn ihrem Mann ins Ohr. »Kein Brot mehr, sonst kriegst du keinen Kuchen.«
Hannah stieß ein lautes »Ha!« aus, woraufhin Dawn ihr einen wütenden Blick zuwarf. Einen Moment lang fühlte Hannah sich wieder normal. Sie atmete tief ein und wieder aus und wagte nun endlich zu antworten. Sie richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf Jackies Arztfreund.
»Ich komme vom Theater«, sagte sie zu ihm und hatte das Gefühl, dass ihre Schultern sich langsam entspannten. »Ich habe gleich nach dem College an verschiedenen kleinen Bühnen gearbeitet und beim Shakespeare-Festival in New York ein Praktikum gemacht. Dann bin ich mit ein paar Musicals auf Tournee gegangen und habe für verschiedene Unternehmen gearbeitet. Danach kam ich zur Werbung. Ich habe gerade erst mit dem Casting für Independent-Filme begonnen. Keine Blockbuster. Die meisten werden mit Schauspielern besetzt, die gar nicht in L. A. arbeiten. Und was die Krankenhausserien und Ärzteberater betrifft«, fuhr Hannah fort und war auf ihre plötzliche Artikulationsfähigkeit sichtlich stolz, »habe ich keine Ahnung, wie das funktioniert. Aber ich kann mich ja mal erkundigen, wenn Sie wollen.«
Hannah legte die Hände vor sich auf den Tisch. Sie hatte ihren Salat nicht angerührt, doch ein Kellner nahm ihn bereits fort und stellte stattdessen einen Teller mit der Vorspeise vor ihr ab.
»Bitte sehr, Ihre Krabben, Miss«, sagte er. »Oder haben Sie vegetarisches Essen bestellt?«
»Krabben sind in Ordnung«, sagte Hannah, die für die Unterbrechung dankbar war.
»Independent-Filme«, fuhr Jackies Freund fort, sah auf Hannahs Hände, die an beiden Enden ihrer Serviette zogen, als wollten sie sie in Stücke reißen. »Und welche davon haben Sie gecastet? Sind Sie sicher, dass ich keinen davon kenne?«
Hannah konnte nicht mehr sprechen. Mit der Gelassenheit war es schon wieder vorbei. Jetzt hatte sie das Gefühl, als breite sich ein Ballon in ihrer Brust aus und drücke gegen ihre Organe. Sie wischte sich mit der Serviette die frischen Schweißperlen ab, schloss die Augen und war froh, als sie plötzlich das laute Pfeifen eines Mikrofons hörte, das alle Gäste dazu brachte, nach vorn zum Zelt zu blicken.
Die Hochzeitsplanerin Bonnie Hunt stand in der Mitte, sprach sanft in das Mikrofon und klang dabei eher wie eine Kindergärtnerin als eine Veranstaltungskoordinatorin.
»Meine Damen und Herren, ich möchte nun die Trauzeugin ans Mikrofon bitten.«
Hannah sah, dass Dawn bereits nach vorne gegangen war, nun genau neben Bonnie stand und mit ausgestreckten Armen nach dem Mikrofon griff, um es so schnell wie möglich an sich zu reißen. Sobald Bonnie Hunt es herausgerückt hatte, nahm Dawn es in beide Hände, machte ein paar Schritte und stellte sich in die Mitte der Tanzfläche. Sie lächelte die Gäste an und wartete, bis die Gespräche verstummten.
Hannah war überrascht, wie schön Dawn in dem funkelnden Scheinwerferlicht des Zelts aussah. Draußen war es jetzt fast dunkel, sodass in der Dämmerung das weiße Licht der Beleuchtung zart auf Dawns Gesicht schien. Die Trauzeugin sah wie eine Prinzessin aus. Einfach atemberaubend. Oder eher wie ein Engel? Sie musste Flügel haben, dachte Hannah.
Bis auf das Summen der tragbaren Kühlschränke und dem geschäftigen Treiben des Servicepersonals, das von Tisch zu Tisch ging und die Teller abräumte, war nun alles still. Und so ließ Dawn mit ihrem Südstaatenakzent à la Reese Witherspoon ihre Stimme im
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