Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
kleine graue Katze. Ich lachte beinahe vor Erleichterung. Als nächstes werde ich wohl noch Gespenster sehen. Ich setzte meinen Weg fort.
Die Lichter der Delancey Street tauchten vor mir auf. Ich mischte mich unter die Menge und freute mich. Hier konnte mir nichts geschehen. Langsam ließ ich mich in dem Strom mittreiben, und nach und nach begann ich mich wieder normaler zu fühlen. An der nächsten Straßenecke schrie ein Zeitungsjunge: »Morgenzeitung! Die Sieger im Boxmatch!« Ich ließ zwei Pennys in seine Hand fallen, nahm eine Zeitung und überflog die letzte Seite mit den Sportnachrichten. Ich betrachtete die Bilder der Boxer mit großem Interesse. Meines befand sich rechts oben in der Ecke. Die Kamera hatte mich in der Haltung des Siegers erfaßt, nachdem ich Gardella eben k. o. geschlagen hatte. Ungeheurer Stolz bemächtigte sich meiner. Box-Champion! Nichts und niemand konnte mir diesen Titel wieder streitig machen. Ich fragte mich, ob einer unter all den Leuten, die an mir vorbeiströmten, mich erkannte, ob jemand wußte, daß ich, Danny Fisher, hier mitten unter ihnen stand. Urplötzlich verschwand mein Lächeln. Ich sah unmittelbar in die Augen eines Menschen, der mich erkannte: es war Spit. Er lehnte sich gegen das Fenster der Paramount Cafeteria und sah mir grinsend entgegen. Die Zeitung entfiel meinen kraftlos gewordenen Händen und flatterte in den Rinnstein. Ich hatte die ganze Zeit über recht gehabt, sie hatten mich verfolgt und warteten hier, bis sie mich allein zu fassen bekamen.
Spit nickte einem Mann zu, der am Straßenrand stand. Ich erkannte ihn sofort. Er war hier in der Gegend als der Kassierer bekannt. Fields verwendete ihn dazu, um hinter den Leuten her zu sein, die sich zu zahlen weigerten. Nachdem er sie in der Arbeit gehabt hatte, waren sie gewöhnlich froh, ihre Rechnungen noch zahlen zu können. Falls sie nämlich noch dazu imstande waren. Ich mischte mich rasch wieder unter die Menge und unterdrückte den übermächtigen Wunsch davonzulaufen. Solang ich mich unter Menschen befand, war ich in Sicherheit. Als ich über die Schulter zurücksah, schlenderten Spit und der Kassierer lässig hinter mir drein, wie zwei Männer, die aus der letzten Kinovorstellung kamen und jetzt nach Hause gingen. Obwohl sie mir scheinbar keine Aufmerksamkeit schenkten, wußte ich, daß sie mich keine Sekunde aus den Augen ließen.
Ich bog in die Clinton Street ein, wo die Menschenmenge bereits erheblich dünner war, ich befand mich aber noch immer in Sicherheit. Gefährlich wurde es erst beim nächsten Häuserblock. Um diese Nachtstunde war er gewöhnlich menschenleer. Kam ich glücklich über diese Strecke hinweg, dann brauchte ich nur noch um die Ecke zu biegen und war zu Hause.
Ich überblickte die Menschen, die noch vor mir gingen, und mein Mut sank. Der nächste Häuserblock war tatsächlich wie ausgestorben. Ich verlangsamte meine Schritte und spielte mit dem Gedanken, in die Delancey Street zurückzukehren. Ein Blick nach hinten veranlaßte mich, diesen Gedanken wieder fallenzulassen. Sie waren mir zu dicht auf den Fersen. Sie würden mir den Weg verstellen. Mir blieb nur ein einziger Weg: geradeaus. Meine Gedanken jagten wild durcheinander. Ich befand mich jetzt beinahe an der Ecke. Das Bild des folgenden Häuserblocks erstand vor meinem geistigen Auge. Nach etwa dreiviertel der Strecke zweigte ein ganz schmaler Weg ab, der zwischen zwei Häusern entlanglief. Er war für eine Person gerade breit genug. Konnte ich ihn erreichen, dann hatte ich eine Chance. Eine sehr schwache zwar, aber meine einzige.
An der Ecke wechselte eben das Licht der Verkehrsampel, und ein riesiger Lastwagen mit Anhänger bog direkt vor mir ein. Ich stürzte mich vor ihm über die Fahrbahn. Hinter mir kreischten die Bremsen, während ich die andre Seite glücklich erreichte. Ich blickte nicht zurück. Spit schrie auf den Lastwagenfahrer ein, der die beiden von mir abgeschnitten hatte. Ich war beinahe die Hälfte der Strecke bis zu dem schmalen Weg gelaufen, ehe ich es wagte, einen Blick über meine Schulter zu werfen.
Spit und der Kassierer hatten soeben den Gehsteig erreicht und liefen jetzt hinter mir her. Angst beschleunigte das Tempo meiner Beine noch mehr. Ich lief in der Dunkelheit beinahe an dem Weg vorbei. Doch dann bog ich scharf ein und stieß mit meiner Schulter an die Hausmauer. Ein Ziegelstein fiel krachend zu Boden, und ich floh tiefer in den Schatten der beiden Häuser. Es war stockfinster hier, so
Weitere Kostenlose Bücher