Besser verhandeln - Das Trainingsbuch
ließ den Zettel wieder auf den Nachttisch fallen, wälzte mich aus dem Bett, stand auf und streckte mich. Ich ging ins Badezimmer und betrachtete mich im Spiegel, während ich mich mit der Rasierseife einseifte. Ich sah müde und gealtert aus. Die Haut über den Backenknochen schien spröde und trocken zu sein, und in meinen Augenwinkeln befanden sich feine Fältchen. Ich atmete tief ein und begann den Seifenschaum in meine Haut zu massieren. Ich fühlte mich immer bedeutend frischer, wenn mein Gesicht mit dem weißen flockigen Schaum bedeckt war.
Als ich eben mit dem Rasieren fertig geworden war, klapperte der Schlüssel im Schloß. Ich legte den Rasierapparat aus der Hand und eilte zur Türe. Nellie war zurückgekommen, auf einem Arm hatte sie Vickie, auf dem andern eine Papiertüte mit Lebensmitteln. »Ich habe den Metzger und den Kaufmann bezahlt«, berichtete sie, während sie die Tüte auf den Tisch legte. »Wenn wir Miete, Gas und Licht bezahlt haben werden, bleiben uns noch genau sechs Dollar.«
»Gut«, sagte ich. Vickie war merkwürdig still. Gewöhnlich rutschte sie, wenn ich sie auf dem Arm hielt, unruhig hin und her und wollte spielen. »Was ist denn mit Vickie los?«
Nellie sah sie an. »Ich weiß nicht«, antwortete sie mit besorgter Miene, »sie war schon den ganzen Vormittag so. Und im Laden unten hat sie zu weinen begonnen. Deshalb bin ich auch so bald nach Hause gekommen.«
Ich hob Vickie mit ausgestreckten Armen hoch über meinen Kopf. »Was ist denn mit meinem kleinen Babylein?« fragte ich, schaukelte sie leicht hin und her und wartete, daß sie, wie gewöhnlich, glücklich zu krähen anfing.
Statt dessen begann sie zu weinen. Ihr lautes Jammern erfüllte den Raum. Ich wandte mich bestürzt an Nellie.
»Ich werde sie ins Bett legen«, sagte Nellie und nahm sie mir ab. »Vielleicht ist sie, wenn sie geschlafen hat, wieder munterer.« Ich setzte mich an den Tisch und trank meinen Kaffee, während Nellie das Kind schlafen legte. Dann blätterte ich müßig in der Zeitung. Es stand ein Artikel über das Wohlfahrtsamt drin, das bei Leuten nachgeforscht hatte, die ihnen verdächtig schienen, schwarz zu arbeiten. Ich zeigte Nellie den Artikel, als sie in die Küche zurückkam.
Sie sah mich bedenklich an. »Glaubst du, daß Miß Snyder etwas argwöhnt?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie das möglich wäre. Ich bin doch immer zu Hause, wenn sie kommt.«
»Vielleicht haben die Nachbarn etwas bemerkt und es ihr gesagt.«
»Ach, das würden sie nicht tun. Sie haben genug eigene Sorgen.«
»Sie hat sich heute früh allerdings sehr merkwürdig benommen. Als ob sie etwas wüßte.«
»Denk nicht mehr dran«, sagte ich zuversichtlicher, als ich in Wirklichkeit war, »sie weiß bestimmt nichts.«
Vickie begann jetzt wieder zu weinen. Plötzlich begann sie zu husten, es war ein heftiger schleimiger Husten. Nellie und ich sahen einander einen Augenblick an, dann drehte sie sich um und lief ins Schlafzimmer. Ich folgte ihr.
Als ich neben ihr stand, hielt Nellie das Kind bereits in den Armen und klopfte ihm leicht auf den Rücken. Der Husten hörte auf. Nellie sah mich mit entsetzten Augen an. »Sie fühlt sich so heiß an, Danny.«
Ich legte meine Handfläche leicht auf Vickies Stirn. »Vielleicht hat sie etwas Fieber.«
»Sie hat schon in der Nacht gehustet«, sagte Nellie, »möglicherweise hat sie sich an mir angesteckt.«
Daran hatte ich nicht gedacht. Nellie versuchte seit einer Woche eine Erkältung zu unterdrücken. »Rufen wir einen Arzt«, sagte ich. Das Kind begann wieder zu weinen. Wir blickten einander hilflos an. Nellie sah erst das Baby und dann mich an. »Vielleicht hast du recht«, stimmte sie zu. »Die Krankenscheine liegen auf dem Küchenregal. Lauf hinunter und rufe sofort an.«
Der Arzt wandte sich von dem Kind ab und winkte Nellie zu sich. »Lassen Sie sich mal anschauen, während Ihr Mann das Kind wieder in die Wiege legt«, sagte er.
Nellie fragte zögernd: »Ist bei ihr nichts Besonderes?« Während ich Vickie hinlegte, sah ich, daß der Arzt nickte. »Sie hat eine Erkältung, die sich im Kehlkopf zu konzentrieren scheint. Ich werde ihr etwas aufschreiben.« Er hielt ein flaches Holzstäbchen in der Hand, um ihre Zunge herunterzudrücken. »Machen Sie den Mund auf und sagen Sie >Aaa<.«
Nellie öffnete den Mund, und er drückte ihre Zunge mit dem Holzstäbchen herunter. Sie würgte und begann zu husten. Er zog das Holzstäbchen rasch wieder zurück und
Weitere Kostenlose Bücher