Besser
neues Gesicht für ein neues Leben, das Leben nach dem Leben, das meine Mutter ruiniert hat. Aber manchmal sehe ich dennoch meine Mutter im Spiegel. Sie steckt in mir drin, ich bin auch sie, auch wenn ich noch so sehr dagegen anzürne. Ich bin aus ihr. Das Dunkel, sie hat es mir eingepflanzt, es lässt sich nicht übertünchen.
Ich bin vorsichtig jetzt. Ich passe auf. Ich passe auf, dass das Licht nie ausgeht, das Licht bleibt immer an. Aber manchmal brennt es durch und das Dunkel explodiert in mir und breitet sich aus, übernimmt mich, und rund um mich herum wird alles zu laut und zu grell, und ich kann meine Kinder nicht mehr ansehen und nicht meinen Mann, und ich will nicht, dass sie mir zu nahe kommen, und ich will nicht, dass sie mich berühren, ich brauche Raum um mich, Wände und Stille. Und dann bin ich meine Mutter. Genauso.
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Fünfundzwanzig
Er war an meiner Tür. An der Tür von dem Haus, in dem wir wohnen. Ich kam gerade aus dem Atelier, hatte die Kinder abgeholt, wir waren am Markt einkaufen gewesen, die dünnen, blauen Plastiksackerl voller Obst, Gemüse und Fisch hingen schwer an Juris Buggy. Ich erkannte ihn zuerst nicht. Ich sah nur einen Mann vor unserer Tür stehen und das Klingelschild studieren, und dann begriff ich, wer es ist. Unser Name steht nicht an der Tür, nur eine Nummer, 19 . Erst fielen mir die schlabbrigen, ausgewaschenen Jeans auf, die schwarze Bomberjacke, die fahlen Haare, dann erkannte ich ihn. Ich riss den Buggy zurück, Elena, die sich daran festhielt, blickte erschrocken zu mir hoch.
«Wir haben etwas vergessen», sagte ich, «wir müssen noch einmal in den Bioladen.» Ich drehte den Buggy im Kreis, Elena stolperte hinterher, wir rammten beinahe eine alte Frau, die mit ihrem Rollator dicht hinter uns ging.
«Was?», sagte Elena.
«Lukolade!», krähte Juri.
«Olivenöl», sagte ich, «das Olivenöl ist aus, wir brauchen noch welches fürs Abendessen.» Ich schob den Buggy, so schnell es Elena zuließ, in die andere Richtung und schaute vorsichtig über die Schulter zurück. Er stand noch da, starrte unschlüssig auf das Tor.
«Papa soll es bringen», sagte Elena, «ich will nach Hause.»
«Minikupa!», rief Juri.
«Papa hat heute viel zu tun», sagte ich, «wir machen das». Am Ende des Blocks angekommen, schob ich den Buggy samt Elena um die Ecke und hielt dann an.
«Was ist?»
«Ich habe etwas im Schuh. Ein Steinchen. Nur einen Moment. Bleib beim Buggy.»
Ich beugte mich zu meinem Fuß hinunter und äugte um die Ecke. Da stand er, immer noch, und blickte jetzt das Haus hoch. Nach einem Augenblick ging er weg, nicht in unsere Richtung, in die andere, langsam, ich sah ihn kleiner werden, die Straße überqueren und in einer Seitengasse verschwinden.
«Geht wieder», sagte ich. «Und weißt du was, mir ist eingefallen, dass wir irgendwo noch Olivenöl haben, das eine, das wir aus Italien mitgebracht haben. Gehn wir nach Hause.»
«Gut», sagte Elena, «bin so müde.»
«Mercedes!», krähte Juri. «Rönoo! Beämwe!»
Ich wendete, wir gingen schnell zurück. Ich schob den Buggy mit einer Hand und wühlte mit der anderen in meiner Tasche nach dem Schlüsselbund. Tastete mit den Fingern nach dem richtigen Schlüssel und hielt ihn fest in der Hand, bis wir vor der Haustür waren. Während ich eilig die schwere, grüne Haustür aufsperrte, starrte ich auf die Ecke der Gasse, in die er verschwunden war. Ich schob den Buggy und Elena in den Flur und drückte die Haustür hinter mir zu, bis ich das Klicken hörte, mit der sie ins Schloss fiel. Dann ein Geräusch, rechts vorne, und jetzt kam Alenka mit dem Baby vor dem Bauch aus der Erdgeschosswohnung und wollte zur Tür hinaus, aber ich blieb im Weg stehen und verwickelte sie in ein Gespräch über das Wetter, und wann es nun endlich Frühling würde, wie es dem Baby geht, und über den Bluterguss unter ihrem Auge, den sie sich an einer offenen Schublade geholt hatte, als sie sich in der Küche dumm nach dem Kind bückte. Ich redete einfach vor mich hin, während ich auf die Geräusche vor der Haustür lauschte, Autos, ein kläffender Hund, die Bälle aus dem Käfig im Park, bis Elena zu maulen anfing. Ich verabschiedete mich von Alenka, ging den Gang entlang und durch den Hof ins Hinterhaus, schob Elena und den Buggy in den Lift, drückte auf D und der Lift fuhr hoch, während Elena dem Spiegel Grimassen schnitt. Er weiß, wo ich wohne. Er wird wiederkommen.
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