Besser
behandeln Adam mit natürlichem Respekt, sie erkennen das in ihm. Und sie erkennen mich. Sie haben den Blick dafür. Sie sehen, dass ich eigentlich eine von ihnen bin, weniger als das, dass ich nicht einmal zu ihnen gehöre und nichts verloren habe in der Schönheit und Eleganz dieses Raumes, dass ich nicht das Recht habe, im Licht dieser Kerzen in diese Speisekarte zu blicken und mir eine edle, blütenweiße Stoffserviette über meinen schmutzigen Schoß zu legen, dass der Tisch nicht für mich gedeckt wurde, dass der teure Wein an mir verschwendet ist, dass ich diese Hors d’œuvre nicht verdient habe und dass dieser Fisch nicht für mich gefangen, auf der Haut gebraten und auf champagnergerührtem Trüffel-Risotto gebettet wurde. Sie spüren das, und ich spüre, dass sie es spüren. Ich rechne jeden Moment damit, dass sie mich überführen, trotz des Schutzes, den Adam mir gewährt. Wegen des Schutzes, den Adam mir unwissend gewährt, ich erwarte jeden Moment, dass sie mich entlarven, dass sie ihn aufklären, ihn warnen und vor mir retten. Ihre Gesten sind zu groß, wenn sie mich bedienen, ihre Freundlichkeit ist übertrieben und ihre Unterwürfigkeit zu gespielt, diese ironische Nuance zu outriert, die mich spüren lässt, dass ich hier nicht hergehöre, nicht an diesen Tisch, nicht zu Adam. Adam bemerkt es nicht, er sieht nur die ganz normale, bezahlte Höflichkeit, die er von Personal in solchen Lokalen erwarten darf, aber ich sehe ihre Durchtriebenheit. Ich spüre, wie sie, wenn sie meinen Mantel abnehmen, das Etikett ausspionieren, wie sie die Tasche, die ich ihnen dabei in die Hand drücke, auf ihre Echtheit überprüfen, wie sie auf meine Schuhe linsen. Sie streifen mich an der Schulter, während sie den Teller vor mich hinstellen, weil sie das Recht dazu fühlen. Sie sehen mir viel zu direkt in die Augen, wie einer, der sie auf Augenhöhe begegnen können, einer Stewardess, einer Nanny, einer Nutte. Sie lassen mich spüren, dass ich mich genau wie sie für meine Freundlichkeiten bezahlen lasse, und dass meine Falschheit tausendmal verwerflicher ist.
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Achtundzwanzig
Es geht uns gut. Adam geht es gut. Die Krise tangiert ihn kaum. Er kauft alte, renovierungsbedürftige Häuser, saniert sie mit jungen Architekten und verkauft dann die Wohnungen. Es sind schöne Wohnungen, nicht billig, und sie gehen weg wie die warmen Semmeln. Die Leute wollen ihr bisschen gespartes Geld jetzt schnell loswerden, für etwas Vernünftiges, Bleibendes, bevor es vielleicht nichts mehr wert ist, bevor die Krise es ihnen nimmt. Adam nimmt ihr Geld gern, er verwandelt es in Sicherheit, Schutz, ein Zuhause, das ihnen keiner mehr wegnehmen kann. Betongeld. Es gefällt mir, was Adam macht, und wie er es macht. Er macht es anständig. Er steht in der Früh auf, bringt mir Kaffee ans Bett, kocht den Kindern Kakao und frühstückt mit Elena, während ich mit Juri noch liegen bleibe. Dann küsst er die Kinder und mich, geht in sein Büro und macht den ganzen Tag gute, anständige, sinnvolle Arbeit. Während ich, nachdem ich die Kleinen in den Kindergarten gebracht habe, im Atelier sitze, die halbfertigen Papiermachéskulpturen anstarre, die mir, wenn mich so ein Schub packt, manchmal aus den Händen quellen, und darauf warte, dass mich ein Schub packt. Während ich warte, sumpfe ich im Netz herum, auf Facebook, Twitter, auf den Schuhversandseiten, auf eBay und Net-a-Porter und Mytheresa, schreibe ich E-Mails und Nachrichten in mein iPhone. Und warte.
Warte auf den Schub. Warte darauf, dass mein Körper sich aus diesem Sessel erheben und nach einem Werkzeug greifen möchte, nach der Beißzange und dem Hasengitter, auf dass sich irgendetwas daraus forme. Warte auf SMS e, wenn er da ist, und auf E-Mails, wenn er’s nicht ist, auf Nachrichten, dass er okay ist und in Sicherheit, in welchem Krisengebiet er gerade auch immer herumreportert. Und dass er mich vermisst, weil ich ja wichtiger bin als jeder verdammte Krieg, und ich warte darauf, dass er mir sagt, dass er mich liebt und braucht, obwohl ich weiß, wie lächerlich und dumm das ist, dass er mich überhaupt nicht braucht, weil er gerade an einem Ort ist, an dem etwas Wichtiges, Weltveränderndes passiert, wo es gefährlich ist und Menschen leiden und getötet werden, während ich nur hier in meiner sicheren, kleinen Luxusexistenz sitze, mich langweile und darauf warte, dass er oder irgendwas mich herausreißen wird aus meiner Luxuslangeweile, meiner
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