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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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E-Mails warten und auf SMS e und auf meinen Bildschirm starren. Ich habe Hunger, ich sollte etwas essen gehen, hinunter ins Kent oder zum Fischtürken oder vor zum Vietnamesen, ja zum Vietnamesen, ich hätte gerne eine heiße Hühnersuppe mit dicken Nudeln, aber ich bin zu träge, um mich aus meinem ledernen, fliederfarbenen Chefsessel zu erheben, den ich für entsetzlich viel Geld bei eBay gekauft und für fast genauso viel Geld liefern lassen habe.
    Der Bildschirm bewegt sich, eine Statusmeldung schiebt die vorherige nach unten und das Foto eines grinsenden, mit irgendwas eklig Braunem verschmierten Kleinkindes aus dem Bildschirm hinaus, während oben eine Petition für oder gegen irgendwas erscheint, und dann, gepostet von der Stecherin, ein YouTube-Fenster mit einem Arcade-Fire-Song. Ich richte mich auf und klicke ihn an, ich kenne den Song, aber nicht das Video. Es ist gut, ein paar Kids fahren mit Fahrrädern in einem merkwürdigen, bedrohlichen Vorort herum und rasen aufs Unglück zu. Den Song wollte ich schon lange, ich gehe auf iTunes und lade das ganze Album herunter, klicke zurück auf Facebook und versuche, während ich weiter den Kids zusehe, aus der unteren Schreibtischlade das Kabel herauszufischen, ohne dass ich meine Füße von der Platte nehmen muss, was misslingt. Ich lasse mich wieder zurückfallen. Später. Dann. Ich habe vierhundertsechsundneunzig Freunde, ich sehe ihnen zu, was sie denken und welche Musik sie hören, was sie aufregt und was sie freut. Die meisten sind Freunde von Adam, die mich wahrscheinlich nur angefragt oder angenommen haben, weil Adam nicht auf Facebook ist. Er findet das vertane Zeit. Ich auch, aber ich habe ja genug davon. Was soll ich mit meiner Zeit machen, außer sie vertun. Ich schreibe nie etwas in Facebook hinein, nicht mehr, ich sehe nur zu. Ich bin eine Voyeurin. Eine Parasitin, die sich von den Existenzen, Gedanken und Ideen anderer nährt; und von Adams Geld.
    Am Bildschirmrand blinkt mit leisem Glong ein kleiner, roter Kreis am Mailbox-Icon auf, ich beuge mich vor, vielleicht ist es von ihm, und ich klicke es an, vielleicht ist es etwas Verliebtes von ihm, vielleicht ein Foto, vielleicht sogar ein dreckiges kleines Video, aber es ist nur die Werbemail eines Modeversands, eine Sale-Ankündigung, und das macht mich sinnlos wütend. Ich lösche sie ungelesen und klicke zurück auf Facebook. Der Mann in dem kleinen Fenster singt etwas darüber, dass er eine Tochter will, und als das Video endet, klicke ich den heruntergeladenen Song auf iTunes an. «So can you understand? Why I want a daughter while I’m still young. I wanna hold her hand and show her some beauty, before all this damage is done.» Meine Mutter hat mir gleich die Zerstörung gezeigt, erst ihre, dann meine. Es regnet jetzt, fette Tropfen zerplatzen auf meinen riesigen, schrägen Fenstern, verschmieren den Blick in den Himmel, zerschneiden ihn in schlampige Streifen, und ich lehne mich in meinem Sessel zurück und schaue zu.

[zur Inhaltsübersicht]
    Neunundzwanzig
    Es war auf Facebook, dass ich zum ersten Mal wirklich mit ihm sprach. Schrieb. Chattete. Ich schreibe nicht gern, ich kann es nicht, aber er hatte nicht lockergelassen. Es hatte mit dem üblichen Geplänkel angefangen.
    Wie geht’s.
    Was machst du.
    Was hast du letztes Mal noch gemacht, an dem Abend als.
    Wo bist du gerade.
    Was hörst du gerade.
    Ich hatte einsilbig geantwortet, zuerst jedenfalls: gut, nichts, etwas im netz recherchieren (was eine Lüge war), daheim, lana del rey.
    Echt? Das hörst du? Das gefällt dir?
    eh nur diese drei ersten songs. der rest ist mist. aber blue jeans und video games ist gut.
    Warum?
    es hat so was altmodisches, distanziertes.
    Und es ist sehr sexy.
    Ich war überrascht gewesen, wie schnell er zur Sache kam, nein: dass er überhaupt zur Sache kam, nichts hatte bisher den Eindruck vermittelt, dass es auch nur den Anflug einer Sache gäbe zwischen uns. Jedenfalls von ihm zu mir. Da hatte ich mich wohl getäuscht. Ich hatte jedenfalls keinen Grund gesehen, die Anspielung nicht zu ignorieren.
    na ja. ich finde das nancysinatramäßige daran ganz ok.

    Ich weiß noch, dass ich mit dem Laptop daheim am Esstisch gesessen hatte. Adam war etwas später als sonst ins Büro gegangen und war gleich am Kindergarten vorbeigefahren. Das Frühstücksgeschirr hatte noch auf dem Tisch gestanden, in Elenas Schüssel trockneten langsam die Müslireste fest, Juris Platz war wie immer mit Erdbeermarmelade verschmiert

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