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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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Krankenhaus?», frage ich. «Wo ist das Baby?»
    «Nein, Frau Dzierwa ist leider verstorben.» Ich sehe Alenka vor mir, die kleine dünne Alenka mit den blonden Locken, wie sie eben noch bei uns in der Küche am Bügelbrett gestanden und Adams Hemden gefaltet hatte, Adile auf einer Decke neben sich, vorgestern Abend, als ich mit Adam ins Kino ging. Wie sie meine Fragen wegwischte, nach ihren Tränen, als ich sie von meinem Dach aus gesehen hatte, nur eine kleine Diskussion, sie sei ja so gefühlig, kein Problem. Ich hatte ihr geglaubt. Hatte sie nicht angespannt gewirkt? Angstvoll? Ich weiß es nicht mehr.
    «Sie ist tot? Ist sie tot?»
    «Ja. Ich darf Ihnen darüber leider keine weitere Auskunft erteilen.»
    «Was ist mit dem Kind? Wo ist Adile? Dürfen sie das auch nicht sagen?»
    «Adele? Die Kleine? So heißt sie? Adele?» Sie schreibt etwas auf ihren Block.
    «Adile. Mit i. Was ist mit ihr?» Ich schreie jetzt fast, ich merke es. Die Polizistin streicht ungerührt in ihren Notizen herum, kritzelt.
    «Was ist mit Adile?»
    «Das Baby ist im Krankenhaus. Es ist, soweit wir wissen, unverletzt. Es wird gerade untersucht.»
    Schiebelade, hatte Alenka gesagt, an der Schiebelade habe sie sich gestoßen, und ich hatte nicht die Bitterkeit und Resignation in ihren Augen gesehen, nur das entschlossene Lächeln darunter. Jetzt sehe ich alles.
    «Mirkan hat sie umgebracht.»
    «Ich darf …»
    «Ja, ich weiß.»
    «Kannten Sie Frau Dzierwa näher?»
    «Mirkan und sie waren hier Hausmeister, und Alenka hat bei uns oben geholfen. Sie hat aufgeräumt und hin und wieder auf die Kinder aufgepasst. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.» Ich weiß nichts mehr. Und ich bin entsetzt über meine Ignoranz, die ganze Zeit. Und ich bin noch etwas: Ich bin schrecklich erleichtert, grausam erleichtert, dass das Unglück nicht mich getroffen hat, dass meinen Kindern nichts passiert ist und Adam. Dass wir noch immer eine glückliche Familie sind. Dass er es nicht zerstört hat, er nicht und ich nicht und niemand sonst.
    «Ich kann das kaum glauben», sage ich.
    «Wissen Sie, ob Frau Dzierwa Verwandte in Wien hat?»
    «Ja. Eine ältere Schwester … Lisa, glaube ich. Nein: Susa.»
    «Susa?» Die Frau schreibt wieder in ihren Notizblock.
    «Ja, aber ich nehme an, man schreibt das anders.»
    «Wissen Sie ihren Nachnamen?» Alenka. Alenka tot. Weiß, blaugehauen, blutig und tot, die Locken mit Blut verklebt.
    «Nein. Ich glaube, sie ist verheiratet und heißt nicht mehr Dzierwa. Aber ich glaube, sie wohnt im Siebzehnten, nicht weit von hier.»
    «Haben Sie jemals etwas von Problemen zwischen Frau Dzierwa und ihrem Mann mitbekommen?»
    Ich schweige. Es wirkt wie aufgesagt, als lernten österreichische Polizisten ihre Befragungstechniken aus Krimiserien, alles eins zu eins wie im Fernsehen. Ich könnte es ihr vorsagen: Kam es öfter zu Streit zwischen ihnen?
    «Wissen Sie, ob es öfter zu Streit zwischen den beiden kam?»
    Nein, ich weiß es nicht. Sie hat nie was erwähnt, nie. Sie sprach immer nur nett über Mirkan, bewundernd und liebevoll. Aber gesehen habe ich es, das blaue Auge, also war’s offenbar so.
    Die Polizistin registriert mein Zögern, blickt von ihrem Block hoch und lässt ihren Stift darauf tanzen, während sie mich mustert.
    Ich weiche ihrem Blick aus. Das blaue Auge. Der Bluterguss, den ich nicht richtig gesehen, nicht kapiert hatte. Hätte ich es nur kapiert, wäre ich nur nicht so voll gewesen mit meiner eigenen Angst, hätte ich nur reagiert. Man hätte etwas unternehmen können. Man hätte es vielleicht verhindern können. Adam hätte etwas tun können, Leute anrufen. Alenka würde jetzt vielleicht noch leben. Das Baby hätte noch eine Mutter. Meine Schuld, schon wieder.
    «Es ist meine Schuld», sage ich.
    «Was?», sagt die Polizistin und macht einen Schritt in meine Richtung. Über dem schwarzen Schild ihrer Kappe prangt ein breiter roter Streifen mit einem goldenen Emblem darauf.
    «Ihre Schuld? Wie meinen Sie das?»
    «Sie hatte ein blaues Auge. Vor ein paar Wochen. Ich traf sie im Flur, und sie hatte ein blaues Auge. Einen Bluterguss. Hier. Ich habe sie darauf angesprochen.»
    «Wann war das?» Ich weiß das Datum ganz genau. Es hat sich mir eingeprägt, das Datum, an dem er mich gefunden hat. Und meine Familie. Hat natürlich eine Zwei drin und eine Vier, das Datum.
    «Ich weiß es nicht mehr genau. Muss ungefähr drei Wochen her sein. War, glaube ich, warten Sie, an einem Donnerstag.»
    «Donnerstag vor drei

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