Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
Vom Netzwerk:
unverständliches Gemurmel voller Zahlen, die für mich alle nach Tod klingen. Ich gehe auf einen der Polizisten zu, er sagt, ich solle zurücktreten, ich sage, er solle mir sagen, was passiert sei, zu aggressiv in meiner Panik. Seine Augen werden schlagartig kalt wie die eines toten Fisches. Sein Kinn verhärtet sich.
    «Ich sagte: Treten Sie zurück.»
    «Aber ich wohne hier. Bitte sagen Sie mir, was passiert ist.» Jetzt versuche ich, ruhig zu klingen, ihn nicht wütend zu machen, aber ich kann die Hysterie in meiner Stimme nicht unterdrücken.
    «Moment.» Er ruft nach einer Kollegin, die vor einer offenen Autotür in ein Funkgerät spricht, deutet ihr an, herzukommen, deutet auf mich. Die Frau winkt beschwichtigend zurück, spricht noch einmal kurz in das Gerät, steckt es ans Armaturenbrett und kommt dann langsam zu uns herüber, viel zu langsam.
    «Sie sagt, sie wohnt hier.» Die Frau setzt ihre weiße Kappe auf, die an ihrem Hinterkopf über dem Pferdeschwanz einzurasten scheint.
    «Aha. Wie ist Ihr Name?» Sie stemmt ihre Arme in die Hüften über dem breiten Gürtel, genauso wie sie es immer im Fernsehen machen. Sie steckt gern in dieser Uniform. Und sie riecht die Gegnerin in mir, den Feind, die Frau, die Ärger macht und Papierkram.
    «Antonia Pollak. Ich …»
    «Wo wohnen Sie?»
    «Ganz oben. Top 19 , im Hofhaus. Mit meiner Familie. Was ist …»
    «Hinten oben wohnt der Hausbesitzer.»
    «Ja. Adam Pollak. Das ist mein Mann. Ist ihm was passiert? Ist etwas mit den Kindern? Was ist passiert? Bitte sagen Sie mir, was passiert ist, bitte.»
    «Kommen Sie bitte mit», sagt die Polizistin.

    Panik steigt in mir hoch, übernimmt meinen Körper, tunnelt meinen Blick, schrumpft meine Kopfhaut, reißt von innen an meinen Haarwurzeln. Ich versuche, meinen Atem zu beherrschen, während ich hinter der Polizistin durch die Neugierigen gehe, vorbei an den blinkenden Autos und an einem weiteren, in ein Funkgerät sprechenden Polizisten, der das Haustor bewacht, dessen Flügel offen klaffen. Dahinter ist alles wie immer: der Durchgang mit der geschlossenen, gläsernen Türe zum Hof mit unserem Haus, ein paar Fahrräder, die an der Wand lehnen, der grüne Bugaboo, in dem ich Juri herumgeschoben habe und in dem jetzt Alenka Adile schiebt, obwohl die eigentlich schon zu groß dafür ist. Das Bild eines blassen Mannes mit einer Messernarbe, die aus dem Kragen eines schwarzen Blousons herauskriecht, brandet durch mich, ich sehe den Mann vor dem Haus stehen, mit der flachen Hand alle Klingelknöpfe drücken und sich dann gegen die surrende Tür stemmen. Meine Panik explodiert.
    «Bitte! Sagen Sie mir, was passiert ist.»
    «Beruhigen Sie sich. Einen Moment noch.»
    Die Beamtin spricht ein paar Worte mit dem Polizisten, nickt, dann gehen wir an ihm vorbei. Auf die Glastüre zu, die in den grünen Hof führt, in seiner Mitte der Mini-Spielplatz, links das geduckte Gebäude, in dem sich Adam einen Schuppen und eine Werkstatt eingerichtet hat, rechts der Lift zu unserer Wohnung. Ich greife nach der Türklinke, als die Polizistin mich leicht an die Schulter tippt. Sie sieht mich an, deutet dann nach rechts, die zwei Stufen hinauf ins vordere Treppenhaus, zur Erdgeschosswohnung. Vor Alenkas Wohnung tackert ein Mann in einem weißen Overall rot-weißes Absperrband an den Türrahmen.

    Während die Panik ganz langsam aus mir weicht, tropft dumpfe Sorge in mich hinein. Alenka. Der weiße Mann spannt das Band über die Tür und tackert es auf der anderen Seite fest. Alenka.
    «Was ist mit Alenka?»
    «Es gab eine Auseinandersetzung zwischen Frau …» Die Polizistin pickt einen Notizblock von ihrem Gürtel und klappt ihn auf.
    «Dzierwa. Sie heißt Dzierwa, Alenka Dzierwa. Was ist mit ihr?»
    «Wie gesagt, es gab eine Auseinandersetzung. Zwischen Frau Dzierwa und Herrn Celik.» Ich starre die Polizistin an.
    «Eine Auseinandersetzung?» Jetzt, jetzt erst sehe ich Alenkas blaues Auge. Jetzt erst sehe ich es wirklich. Jetzt kapiere ich es. Den Bluterguss am Wangenknochen. Das blaue Auge, das ich vor ein paar Wochen nicht erkannte, weil ein Mann mit Narbe vor der Tür stand und mich aus der Fassung gebracht hat. Mein Denken vernebelte. Mich begriffsstutzig machte. Und dumm. So dumm. Das blaue Auge, der Bluterguss, angeblich ein Unfall mit einer Schublade. Jeder hätte es kapieren müssen, jeder. Jeder hätte es sofort erkannt.
    «Sie meinen, er hat sie verprügelt?»
    Die Polizistin kritzelt etwas in ihren Notizblock.
    «Ist sie im

Weitere Kostenlose Bücher