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Besser

Besser

Titel: Besser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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lächelte, Alenka, wie sie Adile abküsste, Alenka, der die Locken in die Stirn fielen, Alenkas Akzent, der ihre Herkunft auch nach zwölf oder dreizehn Jahren in Wien in der ersten Sekunde verriet. Ich drehte den Schlüssel um und öffnete die Tür. Adam schoss aus der Küche auf mich zu, aufgelöst.
    «Ich habe hundert Mal versucht, dich anzurufen. Warum hebst du nicht ab?»
    Weil ich’s nicht gehört hatte. Weil ich’s im Hotel auf lautlos gestellt hatte. Weil ich vergessen hatte, es wieder umzustellen. Verdammt.
    «Oh Gott, das tut mir leid.» Ich fischte das Handy aus meiner Tasche: Sie haben 14 Anrufe von Adam. Eins, Vier. Ich ging auf ihn zu, ließ meine Tasche fallen, umarmte ihn.
    «Bitte verzeih. Ich war beim Osteopathen und habe es stumm gestellt. Und vergessen, es wieder zurückzustellen.»
    «Du weißt es schon?» Adam war blass, nur auf seiner Stirn zeichneten sich die drei roten Flecken ab, die dort erscheinen, wenn er wütend ist und aufgewühlt. Es sind immer die gleichen drei Flecken. Einer sichelförmig, mit einer abgerissenen Spitze. Einer sieht aus wie ein gequetschter Schwimmreifen. Und einer hat überhaupt keine Form.
    «Ja. Ich habe unten mit einer Polizistin gesprochen. Entsetzlich.»
    «Ich kann es nicht fassen.»
    «Ich kam heim und sah die Polizei. Du hast keine Ahnung, was für eine Angst ich um euch hatte.»
    «Hättest du dein iPhone angehabt …»
    «Ja, tut mir wirklich leid. Aber ich hatte meine Strafe. Ich glaube, ich hatte noch nie so eine Angst. Also außer letzten Sommer bei Jenny.»
    Und jetzt war Adam beschwichtigt, und die Farbe seiner Umarmung wechselte von kalt zu warm. Ich erzählte ihm, was ich von der Polizistin wusste.
    «Wissen es die Kinder?»
    «Nein.»
    «Sollen wir es Elena erzählen?»
    «Ich weiß nicht … Vorläufig nicht. Was meinst du? Adile haben sie in ein Krankenhaus gebracht?»
    «Ja.»
    «Weißt du, in welches?»
    «Nein. Denkst du, was ich denke?» Wir lösten uns voneinander und sahen uns an.
    «Dass wir sie zu uns nehmen sollten, zumindest bis klar ist, was mit der Schwester ist?»
    «Ja. Uns kennt sie. Wenigstens ein bisschen. Und die Wohnung ist ihr vertraut.»
    «Packst du das?»
    «Sicher packe ich das», sagte ich, obwohl ich kurz zweifelte, wie gut es für Adile wäre, in meiner Nähe zu sein. «Sonst ist Astrid auch noch da.»
    «Ich rufe mal beim Jugendamt an. Nein, lieber im Rathaus. Ich kenn da wen, der mir einen Gefallen schuldet. Ich schaue gleich, ob ich den erreiche.» Adam nahm sein Telefon und verschwand ins Arbeitszimmer, während er schon darauf tippte.
    «Gut», sagte ich, aber er hörte mich nicht mehr.

    Dann ging ich die Kinder umarmen. Wie sehr man ins Klischee verfällt, wenn in der Nähe etwas Schlimmes passiert. Etwas, das einen nicht direkt trifft, aber doch streift. Wie sehr die Menschen im Angesicht der Katastrophe dieselben Bedürfnisse entwickeln: den Wunsch, bei denen zu sein, die man liebt, die einen lieben, ihre Wärme zu spüren, das Leben in ihnen. Wie sie, für winzige Augenblicke nur, zu guten Menschen werden, zu Menschen mit den richtigen Prioritäten. Aber während Juri sich mir entwand, während ich Elena an mich drückte, während ich ihren Kopf, ihr blondes Haar und ihren Rücken unter dem weichen, rosa Sweatshirt, das Alenka gebügelt hatte, streichelte, während ich Elena all das ins Ohr flüsterte, was sie hören wollte, während sie kicherte, weil mein Atem sie am Hals kitzelte, dachte ich, dass ich rennen sollte. Dass ich wegrennen sollte, weit weg von ihr und Juri und von Adam, weil das vielleicht die einzige Möglichkeit war, sie zu beschützen, vor mir. Weil nicht einmal mehr Adams Nähe das Unglück hatte aufhalten können, und das sollte mir eine Warnung sein.

[zur Inhaltsübersicht]
    Fünfunddreißig
    «Ich muss die ganze Zeit an Alenka denken.»
    «Ich auch.»
    «Hattest du eine Ahnung?» Adam sitzt auf seinem Platz auf der ledergepolsterten Bank. Es war ihm kaum gelungen, sich die Erschütterung aus dem Gesicht zu wischen, während wir mit den Kindern zu Abend aßen, er hatte tapfer gelächelt und mit Elena gescherzt, die uns, ihren Pilzrisotto löffelnd, misstrauische, ängstliche Blicke zugeworfen hatte. Dieses Kind merkt immer, wenn etwas nicht stimmt, man kann Elena nicht belügen, und als ich ihr und Juri, während Adam die Küche sauber machte, eine Gutnachtgeschichte vorlas, sagte sie mir drei oder vier Mal, wie lieb sie mich habe, umhalste mich so fest, dass ich kaum Luft bekam, und

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