Bestialisch
dem Absatz herum und machte sich wieder daran, potentielle Wähler anzurufen.
Waltz beauftragte die Spurensicherung telefonisch, die Puppe abzuholen und auf Fingerabdrücke zu untersuchen. Bei der Analyse des ersten Exemplars waren weder ganze noch partielle Fingerabdrücke gefunden worden, was uns trotzdem etwas über den Absender verriet: Wer auch immer die Puppe geschickt hatte, setzte alles daran, uns das Leben schwer zu machen.
Während wir warteten, überflog Waltz einen Stapel Briefe, die bei der Wahlkampfzentrale eingegangen waren.
»Gibt es irgendetwas, das ins Auge springt?«, fragte ich ihn.
»Einmal abgesehen von den üblichen Beschimpfungen, werden hauptsächlich Ansichten vertreten, die Pelhams Meinungen widersprechen. Schätzungsweise fünfzig Prozent der Briefe enthalten ähnlich lautende Passagen. Sie klingen wie das, was Fernsehmoderatoren zum Besten geben oder Leute, die sich im Radio zu Wort melden. Richtige Drohbriefe sind nicht darunter, aber da machen eine Menge Leute, die der Rechtschreibung nicht mächtig sind, ihrem Unmut Luft.«
»Die lassen nur Dampf ab, aber damit werden sich nicht alle zufriedengeben, oder?«
Er klopfte auf einen kleineren Stapel Briefe und abgetippte Telefonmitschnitte, die er aussortiert hatte. »Da werden Frauen als Miststücke, Huren, Schlampen bezeichnet. Diese Leute schäumen vor Wut.«
Ich stimmte ihm zu. »Solche Typen kenne ich. Deren Leben hat nur dann einen Sinn, wenn sie jemanden finden, an dem sie sich reiben können.«
Waltz seufzte. »Ist doch wirklich super, wenn man Schwule, Schwarze, Latinos, Umweltschützer oder Chevrolet-Fahrer hassen kann.« Er lachte freudlos. »Unter den Frauenhassern gibt es ein Kontingent an finsteren Seelen, die ein Faible für Haken und Elektroden haben. Schauen Sie sich das mal an …«
Mein Blick fiel auf einen selbst gemachten Briefkopf von einer Gruppe namens MEN UNITED!, der nicht mittig auf dem Papier saß. Der Verfasser hatte einen siebenseitigen, mit Hasstiraden und Anschuldigungen gespickten Text geschickt. Zur Untermauerung der Standpunkte waren die richtig fiesen Passagen durchweg in Großbuchstaben gesetzt und mit mehreren Ausrufezeichen versehen.
Ich gab Waltz das Schreiben zurück. »Klingt so, als hätten ihn diese hinterfotzigen Weiber schlecht behandelt.«
Shelly steckte den Brief in seine Tasche. »Da ich von dieser Gruppe noch nie was gehört habe, werde ich dem Burschen mal einen Besuch abstatten. Möchten Sie mich begleiten? Vielleicht kommt ja was dabei raus.«
Während Verfasser von E-Mails gern inkognito bleiben und sich hinter Namen wie Ultiman oder T’Rone34 verstecken, hatte sich J. William Blankley ganz altmodisch für den Postweg entschieden und den Brief sogar unterschrieben. J. William Blankley wohnte in einem Apartmenthaus in Downtown Brooklyn, was Shelly zufolge ein gutes Viertel war. Als wir ausstiegen, roch es nach Regen, und über unseren Köpfen ballten sich tief hängende graue Wolken zusammen. In der Ferne donnerte es.
Blankley, der Ende zwanzig, Anfang dreißig war und nicht schlecht aussah, öffnete die Tür. Er wirkte halbwegs sportlich, war knapp eins fünfundsiebzig groß, hatte einen ordentlichen Haarschnitt und trug Khakis und ein blaues Oberhemd. Bis man von seinen Augen Notiz nahm, hätte man Blankley für einen Steuerfachgehilfen oder Bibliothekar halten können. Sein Blick verriet uns, dass er zum Jähzorn neigte.
Waltz zeigte ihm seine Marke. »Dürfen wir eintreten, Mr Blankley? Wir würden uns gern kurz mit Ihnen unterhalten.«
Seine kleine Wohnung war so aufgeräumt und sauber wie ein Wohnzimmer in einem Möbelkatalog. Hier gab es keinen einzigen persönlichen Gegenstand, und es mangelte an Farbe. Alles wirkte beige, selbst der stummgeschaltete Fernsehapparat, auf dem ein Nachrichtenkanal lief. Eine blonde Nachrichtensprecherin bewegte die Lippen, während hinter ihrem Rücken Mexikaner über einen Grenzzaun kletterten.
In einer Ecke der Essnische herrschte allerdings Unordnung. Neben dem Computer türmten sich die Aktenordner. Über dem Arbeitsbereich hingen mehrere Poster. Das Wort Männer, an der Wand gleich mehrfach vertreten, sprang ins Auge.
Blankley ließ Waltz und mich nur in den Flur. Waltz hielt ihm den Brief unter die Nase.
»Haben Sie den geschickt, Mr Blankley?«
»Postsendungen fallen unter das Briefgeheimnis. Sie haben nicht die Befugnis, das Schreiben zu lesen.«
»Der Empfänger sah sich gezwungen, mir den Brief zu zeigen, was zulässig
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