Bestialisch
der Tasche und tat so, als würde ich jemanden anrufen. Dabei schürzte ich die Lippen, runzelte die Stirn und lauschte dem statischen Rauschen. Dann richtete ich den Blick auf Blankley, der immer noch seine Grundsätze herunterratterte. Mein skeptischer Blick entging ihm nicht.
»Was ist?«, fragte er missmutig.
Ich zuckte mit den Achseln. »Nichts.«
»Als ehrlicher Steuerzahler habe ich das Recht auf eine Antwort.«
»So wie es aussieht, haben Sie etwas auf dem Kerbholz«, antwortete ich ausweichend, ging auf Abstand und ließ ihn zappeln. Er baute sich vor mir auf und versuchte, mich mit einem vorwurfsvollen Blick zu provozieren.
»Kann gar nicht sein. Keine von ihnen hat Strafanzeige gestellt. Also gibt es auch keine Akte.«
»Na, da muss man schon unterscheiden. Es gibt offizielle Anzeigen und Vermerke über eingegangene Anrufe.«
»Das ist ILLEGAL!«
Waltz spann den Faden weiter. »Jeder Polizist, der einen Anruf entgegennimmt, notiert, wo sich wann was zugetragen hat.«
Blankley riss den Kopf zu Waltz herum. »Sie haben gelogen.«
»Die Beamten haben gelogen?«
»Die SCHLAMPEN. Ich habe sie nicht behelligt, sondern ihnen nur klargemacht, dass es besser für sie ist, wenn sie auf mich hören statt auf diesen selbstgerechten Feministinnenquatsch. Die sind doch durch die Bank heimtückisch, manipulativ und egomanisch. Und dann wenden sie sich gegen mich und werfen mir Eigennutz vor, wo ich doch nur versucht habe, meine Männlichkeit wiederzuerlangen.«
Waltz warf einen Blick auf Blankleys Schritt und zog eine Augenbraue hoch. »Sie wurde Ihnen gestohlen? Vielleicht hätten Sie den Diebstahl melden sollen?«
Blankleys Kinn zitterte vor Wut. »Sie wollen mich demütigen. Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten über Sie beschweren.«
Waltz zog sein Handy heraus und klappte es auf. »Ich wähle für Sie, dann können Sie gleich mit Lieutenant Alice Folger, meiner Vorgesetzten, sprechen.«
Blankley lief rot an und gab ein Geräusch von sich, als würde Luft aus einem Ballon entweichen. Er öffnete den Mund und wollte sich ein weiteres Mal ereifern, aber Waltz drohte ihm mit erhobenem Finger wie einem Hund, der dressiert wurde. Nein.
Als wir die Wohnung verließen, zum Wagen rannten und einstiegen, regnete es in Strömen. Waltz seufzte und strich das feuchte Haar nach hinten.
»Haben Sie manchmal auch den Eindruck, dass nur zwanzig Prozent aller Erwachsenen sich ihrem Alter entsprechend verhalten, Detective Ryder?«
»Sehen Sie das so, Waltz? Ich denke, es dürften eher zehn Prozent sein.«
*
Wir glaubten nicht, dass Blankley für die Konferenzteilnehmer eine Bedrohung darstellte. Er war nur ein trauriger kleiner Junge, der ein erbärmliches Dasein fristete. Seine Beziehungen waren gescheitert, und ihm fehlte die Reife, für sich zu klären, was schiefgelaufen war, die Konsequenzen zu tragen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Für ihn war es einfacher, den Frauen die Schuld zu geben oder – noch besser – sich als Opfer einer gewaltigen Verschwörung zu sehen mit dem Ziel, ihn seiner Männlichkeit zu berauben. In Wahrheit beraubt niemand die J. William Blankleys ihrer Männlichkeit, denn das tun sie schon selbst, und zwar mit vollem Eifer.
Auf dem Revier erfuhr ich, dass Harry sich gemeldet hatte. Ich ging nach draußen auf die Straße, stellte mich in einen Hauseingang und wählte seine Nummer. Er klang komisch, ausweichend.
»In das Haus von Prowse wurde vor ein paar Wochen eingebrochen. Nate Allen hat den Funkspruch erhalten und ist rausgefahren. Nach seiner Schilderung wollte er sich einen Überblick verschaffen, und irgendwann wurde Vangie ganz kribbelig. Anscheinend hat es ihr nicht gepasst, dass er sich bei ihr umsah, und plötzlich behauptete sie felsenfest, es würde nichts fehlen, was Nate ihr nicht abgekauft hat. Seiner Meinung nach wurde etwas entwendet, was Dr. Prowse peinlich war.«
»Eigenartig. Hat Nate eine Ahnung, worum es sich dabei handeln könnte?«
»Nein. Wusstest du eigentlich, dass Prowse noch ein Haus in Gulf Shores hat?«
»Sicher. Ein Ferienhaus.«
»Nette kleine Hütte. Nach Aussage einer Nachbarin hat sie dort früher gelegentlich Patienten empfangen und in letzter Zeit vielleicht Geister behandelt.«
»Was soll das denn heißen?«
»Die Nachbarin sagt, Prowse hätte neuerdings wieder das BITTE-NICHT-STÖREN-Schild an die Tür gehängt, doch die Nachbarin hat nie einen Patienten gesehen. So lief das zwei Monate lang jeden
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