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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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Country Life gern beschrieben) in England und Schottland gefördert wurde. Seine Firma hatte sich auf vollständige Anwesen spezialisiert, das heißt auf den Grund, das Wohnhaus und seinen gesamten Inhalt. Dazu gehörten mitunter solche Schätze wie Sammlungen seltener Bücher, Gartenskulpturen, Wandteppiche, eine Vielzahl antiker Möbel wie auch die Gemälde alter Meister.
    Martin trat in Verhandlungen mit einer trauernden Witwe oder mit in Tränen aufgelösten Enkelkindern immer überzeugend auf. Warum sollte man sich mit Wechselhaftigkeiten, endlosen Schätzungen, Bewertungen, Freistellungspapieren (es sei denn, einer Firma passierte es, dass sie ein Gemälde von strittiger Echtheit empfahl), den unzähligen Vollmachten und Steuervorschriften den gesamten Inhalt eines Anwesens betreffend herumschlagen, wenn Olivier's einen Rundum-Service bieten konnte, der bei Vermeidung auch der geringsten Schwierigkeiten oder Komplikationen die höchsten Preise sowohl auf dem Immobilien- als auch auf dem Kunstmarkt garantierte?
    Er hatte Dutzende von als erstklassig eingestuften Palästen und Burgen aus dem 13. Jahrhundert verkauft sowie ein unscheinbares, heruntergekommenes Landgut, das innerhalb seiner düsteren Begrenzungsmauern eine wahre Orgie an Überraschungen bereitgehalten hatte: nicht nur achtzehn Hektar völlig unberührten Waldes, sondern auch eine Galerie von Gemälden, unter denen sich ein Rembrandt, ein Constable und ein in Öl gemaltes Porträt unbekannter Herkunft von William Shakespeare befanden.
    Margaret und Martin verließen das Museum in Chelsea, um ihr Lieblingsbistro gleich um die Ecke aufzusuchen. Martins Chauffeur Max wartete auf einem Parkplatz vor dem Museum.
    »Etwas Bizarres, nein, das ist es nicht ... etwas wirklich Schreckliches ist geschehen. Ich erzähle es dir, wenn wir am Tisch sitzen.«
    Margaret nahm die irritierende Menge an Reiseinstruktionen mit der für sie typischen Aufgeräumtheit zur Kenntnis. »Mit Herz ist Coeur gemeint, Big Apple bezieht sich auf Big NY. Also Gœur-Big-NY gleich Corbigny. Daran dürfte kein Zweifel bestehen. Du hast mir nie erzählt, dass die Farm deiner Familie tatsächlich in Burgund liegt. Das ist absurd! Ich meine, Burgund, um Gottes willen. Wahrscheinlich kenne ich den Ort.«
    »Er hat stets von Ostfrankreich gesprochen. Es ist mir einfach nie in den Sinn gekommen.«
    »Und dein Vater hat sich niemals eingehender dazu geäußert? Das ist wirklich bizarr. Er wusste doch, dass die Kunst Burgunds mein Spezialgebiet war, in dem ich mein Diplom erworben habe.« Ihre tiefe Frustration hatte sich längst verflüchtigt. Martins Vater hatte es stets vorgezogen, ihre Arbeit und eigentlich auch die Arbeit seines Sohnes zu ignorieren. Sie wusste nicht, weshalb, und hatte es nie erfahren. Edward war Wissenschaftler, aber nicht von der traditionellen Sorte. Er veröffentlichte nicht. Er gab keine Interviews. Weshalb war er dann berühmt? Weil er ein paar neue Vogelarten entdeckt hatte, die mit einem Namen zu belegen er sich weigerte und darüber hinaus verbot, sich bei ihrer Benennung seines Namens zu bedienen, um ihm auf diese Art und Weise für ihre Entdeckung zu danken? Er wehrte sich dagegen, irgendeine Erklärung zu ihnen abzugeben. Oder ihren jeweiligen Lebensraum zu verraten. Margaret hatte immer geglaubt, dass er sich dagegen sträubte, zu viele Worte zu machen - eine Bescheidenheit, hinter der sich irgendetwas verbarg. Sie konnte jedoch nicht erklären, was es war, und hatte es am Ende aufgegeben, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.
    Was sie jedoch wusste, war, dass er stets unnahbar geblieben war, und das trotz seiner exzentrischen Geburtstagsgeschenke. Edwards Ehefrau, Martins Mutter, war in irgendeinem exotischen Urwald verstorben. Margaret und Martin kannten sich gerade einen Monat, als es geschah. Sie erinnerte sich an die Empfindung, dass dies eine einsame, merkwürdige Familie war. Martin erwähnte niemals etwas von einem Begräbnis, hatte ihr nie ein Foto von seiner Mutter gezeigt und auch niemals darüber gesprochen, was geschehen war. Tage verstrichen, dann waren es Wochen. Sie schaute jeden Tag in die Londoner Times . Es gab nirgendwo eine Todesanzeige oder einen Nachruf, wie kurz oder lang auch immer.
    »Das ist eine typisch englische Eigenart«, sagte Martin und fragte sich verwirrt und ohne Hoffnung auf eine befriedigende Antwort, was eigentlich geschehen war.
    Und nun war diese Empfindung auf einmal wieder in vollem Maß da.
    »Er sagte stets, es

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