Bestiarium
Person, die diese vier Buchstaben auf einem Metallbehälter hinterließ, hatte etwas sehr Wichtiges mitzuteilen, zu schützen und zu segnen«, erklärte Pater Bruno. »Sie hat diese Buchstaben eingraviert oder eingekratzt, um eine Seele zu schützen und einen Heiligen Tod kundzutun und ihn auf diese Art und Weise dem Teufel abzuringen.«
»Tot ist tot«, sagte Simon. »Ich habe schon zu viele Leichen gesehen, um etwas anderes anzunehmen.«
»Glauben Sie nicht an Gott, Monsieur Simon? Oder an den Himmel?«
»Doch, das tue ich, Pater. Ich bin außerdem katholisch. Aber in meinem Gewerbe wächst meine Unzufriedenheit mit Gott stetig. Es gibt zu viele unschuldige Opfer, vor allem unter anderen Arten. Die Religion hat dieses Problem nicht zufriedenstellend erklärt, jedenfalls nicht nach meinem Dafürhalten. Aber jetzt ist wohl kaum der richtige Zeitpunkt, um näher darauf einzugehen. Vielleicht irgendwann später einmal, bei einer Tasse Kaffee. Im Augenblick muss ich nur eins wissen: Was können Sie mir über das Mordopfer erzählen, das uns noch nicht bekannt ist?«
»Wie ich schon sagte, war der heilige Benedikt in der Kirchengeschichte für Gifte und andere Todesarten zuständig. Wir sehen in ihm einen Schutzheiligen der Toten«, erklärte Pater Bruno. »Sein eigener Tod wurde formell als Heiliger Tod beschrieben. Das ist sicherlich eine ziemlich fragwürdige Wortkombination, wenn Sie so wollen. Wie kann man in Würde sterben, wie kann man Mord, Selbstmord und den natürlichen Verfall, der alle Dinge am Ende heimsucht, in etwas Göttliches verwandeln? An dieser Stelle gewinnt der Benedikt-Kult universelle Bedeutung, und hier hat meine Nichte, Julia, wahrscheinlich zwei und zwei zusammengezählt.«
Julia Deblock kam endlich auf das zu sprechen, was sie ihrem Chef und auch Simon hatte mitteilen wollen. »Ich habe mir die Buchstaben genau angesehen und alle möglichen Kombinationen notiert. Es ist ein Anagram. Jeder kann es sehr schnell lösen. Der Heilige Tod entspricht Hythlodae. Obgleich Thomas Morus festlegte, dass Hythlodae von Geburt Portugiese war und das Anagram in englischer Sprache abgefasst ist, kann es hinsichtlich seiner Bedeutung keinerlei Zweifel geben«, sagte sie. »Dies sind keine Zufälligkeiten, sondern klare Hinweise, die von irgendjemandem als solche erkannt werden sollten.«
KAPITEL 14
H eiliger Tod , wiederholte Jean-Baptiste Simon in Gedanken. Hythlodae kam ihm nicht vor wie der typische Verschwörer. Aber was war er dann?
Er ließ die ovale Münze - für ihn war sie das weiterhin - in den Plastikbeutel fallen und nahm seinen Assistenten Hubert Mans beiseite. »Ich möchte, dass jeder größere Betrug der letzten zwanzig Jahre daraufhin untersucht wird, ob in seinem Zusammenhang diese Formulierung aufgetaucht ist. Haben Sie sie schon mal gehört?«
»Nein«, antwortete Hubert.
Simon auch nicht. »Wir müssen Name, Adresse, Telefonnummer und Beruf jedes Mitglieds der Familie Jacob Hythlodaes in Erfahrung bringen. Und ich will, dass Agenten des IWS rund um die Uhr jeden Hafen in den Vereinigten Arabischen Emiraten überwachen, in dem die Lieferung ankommen sollte. Besorgen Sie sich die Frachtpapiere, reden Sie mit dem Hafenmeister, und versuchen Sie herauszukriegen, welche Papiere sich auf den fraglichen Container beziehen.«
»Habe ich bereits getan. Zuerst einmal, der Zielhafen ist Dubai. Und die Firma, die darin verwickelt ist, gehört einem der Neffen des Scheichs. Er erfreut sich vollkommener Immunität. In dieser Richtung kommen wir nicht weiter. Tut mir leid, Chef.«
»Sie gehören zu den Unterzeichnern eines internationalen Sicherheitsabkommens.«
»Das gilt nur, wenn der Verdacht auf terroristische Aktivitäten besteht.«
»Bislang wissen wir nicht, was genau sich in dem Container befunden hat, und wir haben keinerlei Grund, irgendeine Möglichkeit auszuschließen. Ich weiß, dass Hans für uns in Dubai tätig ist. Er soll sich mal umsehen und sich dann bei uns melden.«
Hans Maybeck war ein deutscher Taucher, der einen der besseren Jobs beim IWS hatte. Er spielte mit seiner unternehmungslustigen Frau und seinen vier Kindern den ewigen Touristen. Sie machten ständig Urlaub in den Emiraten und verbrachten die meiste Zeit am Strand des Hotels Joumeirah. Er konnte einem verraten, unter welchem Fettblattbaum von Bahrain bis Katar jede Damagazelle schlief, und er wusste, welcher Cousin welches Emirs in seinem privaten Swimmingpool illegale Dugongs zu seinem persönlichen
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