Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
Vom Netzwerk:
mir Textnachrichten. Lass mich umgehend wissen, was du herausbekommen hast. Ich habe keine Ahnung, in was ich hineingeraten bin.«
    »Wo bist du im Augenblick?«, wollte sie wissen.
    »Auf einer Wiese. Und während der letzten zehn Minuten hat ein riesiger Falke auf meinem Arm gesessen.«
    »Ein Falke? Martin, du hast doch nicht die geringste Ahnung von Falken.«
    »Da irrst du dich. Tatsächlich hat er mir direkt aus der Hand gefressen. Und er hat mir eine Botschaft überbracht.«
    Dann begann er ihr die Instruktionen vorzulesen, die Eyos ihm gebracht hatte.

 
    KAPITEL 16
     
    J ames hatte Martin aus reiner Notwendigkeit eine Wegbeschreibung geschickt, die ihn auf Umwegen von Corbigny zum Haus führte. Es war tatsächlich nicht so einfach, dorthin zu gelangen. Der imposante alte Landsitz, oder das Château, wie James es noch immer in Gedanken nannte, war das letzte Fenster zur Welt. Sein Bruder Edward hatte es genauso gesehen.
    Es gab keine Straßenkarten, auf denen dieses Haus eingezeichnet war, keinerlei Hinweisschilder, die zu dem führten, was zugleich ein Fort und ein Lustschloss war mit seiner alten gewundenen Mauer von fast siebzehn Meilen Länge und seinen zahlreichen feudalherrschaftlichen architektonischen Besonderheiten. Auf zahlreiche Schlösser überall in Frankreich wurde mittels großer Hinweisschilder am Rand der Autobahnen und wichtigen Hauptverkehrsstraßen aufmerksam gemacht, und die durchreisenden Touristen nahmen diese Empfehlungen für kurze Abstecher dankbar an. Aber nicht auf dieses Château.
    Seit Anfang des 15. Jahrhunderts hatten Besucher sich seltener als alle zwanzig Jahre einmal dorthin verirrt. Eine Wegbeschreibung wurde nur im alleräußersten Notfall gegeben. Keine Landkarte zeigte die Lage des Schlosses. Nirgendwo fand sich irgendein Hinweis darauf. Es regnete dort fast ständig, aber niemand, der dort nicht wohnte, wusste etwas von diesem seltsamen Mikroklima. Und der nächste Nachbar wohnte zig Meilen weit entfernt.
    James erreichte das Haus nach vierzig Minuten. Er tippte den Code ein, der das erste der drei altertümlichen Tore öffnete. Jedes hatte ein elektronisches Eingabefeld und wurde von drei Videokameras überwacht, die jedoch schon seit längerer Zeit nicht mehr funktionierten.
    Acht Monate zuvor hatte sich jemand an dem System zu schaffen gemacht. Edward hatte versucht, es selbst zu reparieren, was für ihn absolut die einzige Möglichkeit war. Die Stromstärke wurde durch die Länge der elektrischen Leitung gemindert. Die einzelnen Sektoren übertrugen keine Daten mehr, wie sie es während der 1980er Jahre stets zuverlässig getan hatten. Sowohl die Telefonverbindung als auch der Radioempfang waren ständig gestört. Breitbandübertragung existierte in dieser Gegend noch nicht, und selbst wenn es sie gegeben hätte, wäre ein Minimum von einem Balken nötig gewesen, damit man ein stabiles Signal erhielt. Es gab ein paar Bereiche innerhalb des Landgutes, die sogar einen Balken Signalstärke für ein Mobiltelefon oder irgendein anderes elektronisches Kommunikationsgerät lieferten. Und das waren jeweils die offensichtlichen Orte: Bergspitzen, Türme, jede Lichtung oder Lücke im Wald, die einen gewissen Fernblick ermöglichten, also eine ausreichend freie Fläche, um Signalstärke vom nächsten Funkmast abzuzapfen, der etwa sieben Meilen entfernt war. Sogar Satellitentechnologie war nicht zuverlässig. Und ein Iridiumtelefon funktionierte nur an den wenigen Stellen, wo das Blätterdach der Bäume eine Öffnung aufwies.
    Ein paar Kameras waren von einem der zahlreichen heftigen Stürme, die im Frühling vom Atlantik her über das Land zogen, aus ihren Halterungen gerissen oder umgeworfen und beschädigt worden. Eine ganze Reihe von Faktoren machte es schwierig, das System intakt und funktionsfähig zu erhalten, aber das grundlegendste Problem war sicherlich Edwards Tod. Er hatte ganz einfach nicht lange genug gelebt, um die notwendigen Reparaturen und Modernisierungen abzuschließen.
    Auf diesem Gebiet hatte James keine Ahnung. Er war ein Zoologe der alten Schule und befasste sich mit so gut wie jedem Tier und Insekt. Er wusste auch einiges über Waldkunde. Ebenso wie sein verstorbener Bruder Edward, der als Ornithologe in der Fachwelt hohes Ansehen genossen hatte, hielt James nichts von eigenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und verzichtete konsequent darauf. Genauso hatten es ihre Eltern und deren Eltern und wiederum deren Eltern gehalten. Tatsächlich war mit

Weitere Kostenlose Bücher