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Bestiarium

Bestiarium

Titel: Bestiarium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tobias
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die Tonfolge zu intonieren: »Dah-dah-dah-dah ...« Dann verstummte sie verlegen, als sie sah, wie der Taxifahrer die beiden Verrückten hinter ihm angrinste, während sein Taxameter lief.
    »Margaret, wie bringt uns all das weiter?«
    Sie tippte weitere Fragen in ihren Computer, der mit ihrem iPhone verbunden war. »Oh, Mist.«
    »Was ist?«
    »Er wohnte im Verlauf seiner vierunddreißig Jahre in Wien in zweiundsiebzig verschiedenen Häusern. Es hatte irgendetwas mit chronischen Magenproblemen zu tun.«
    »Ja, aber wo ist die Neunte Sinfonie?«
    »Was meinst du?«
    »Hat er sie in Wien geschrieben?«
    »Natürlich hat er das!« Und sie überflog die verfügbaren Informationen. »Ja! In der Landstraße Nummer 323.«
    Der Taxifahrer blickte amüsiert in den Innenspiegel. »Es gibt keine Landstraße 323.«
    »Die muss es aber geben«, erwiderte Margaret verzweifelt.
    Der Fahrer, der bei tickender Taxiuhr geduldig darauf gewartet hatte, dass ihm ein Fahrtziel genannt wurde, blätterte in seinem eigenen Stadtplan. »Ah. Sie meinen die Ungargasse 5, Ecke Beatrixgasse, im Stadtteil Landstraße.« Und er fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.
    Die Landstraßer Hauptstraße verlief ein Stück fast parallel, ehe sie in die Ungargasse überging.
    Sie waren schon nach kurzer Zeit dort. Ein Pizzarestaurant nahm einen Teil des Parterres eines großen mehrstöckigen Gebäudes ein, das sich mehrere Blocks weit in beide Richtungen erstreckte, ein wahres Labyrinth von Mietwohnungen.
    »Ich glaube nicht, dass wir hier richtig sind«, äußerte Martin seine Bedenken. »Das ist ein relativ neues Gebäude.«
    »Moment mal«, erwiderte Margaret. »Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich so neu ist. In einer dieser Wohnungen hat der Komponist seine Sinfonie geschrieben. Er war dort von 1823 bis 1824.«
    Sie stiegen aus und bezahlten den Fahrer, der schnellstens wieder losfuhr.
    Die Oliviers betraten die Pizzeria. »Wir müssen irgendetwas bestellen«, entschied Martin.
    »Wie wär's mit Espresso? Oder Orangensaft?«
    »Alles beide.«
    Während sie sich setzten, kam Jean-Baptiste Simon herein, eine zusammengerollte Zeitung in den sonnengebräunten Händen. Das Restaurant war bis auf das englische Ehepaar fast leer. Er setzte sich an einen Tisch etwa zehn Meter von ihnen entfernt. Die junge Serviererin, tätowiert, einen auffälligen Ohrring in der Nase, legte eine Speisekarte auf seinen Tisch und ging mit einem Getränketablett weiter zu den Oliviers.
    »Danke. Wir hörten, dass Beethoven einmal hier gewohnt hat. Wissen Sie, wo und in welchem Stockwerk? Gibt es hier irgendwo eine Gedenktafel?« Margarets Deutsch war bruchstückhaft, erwies sich jedoch in ihrem Gewerbe als mittlerweile zwingend notwendig.
    Die Serviererin hatte wohl mal gehört, dass Beethoven irgendwann in diesem Haus gewohnt haben sollte. Sie entschuldigte sich für einen Moment und entfernte sich, um ihren Chef zu fragen, der sie mit Informationen zurückschickte, die Millionen von Fans des Künstlers längst wussten. Erster Stock, direkt über dem Teil des Restaurants, in dem der Backofen stand.
    »Vielen Dank.«
    Sie stiegen die Treppe hinauf und fanden die Wohnung, ohne lange suchen zu müssen. Kein Namensschild an der Tür.
    »Nun mach schon«, drängte Margaret.
    Martin klopfte. Ein Kind öffnete ohne ein Anzeichen von Angst und musterte sie stumm und mit ernstem Blick. Hinter ihm erschien wenig später die Mutter.
    »Ja, bitte? Kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Sie sind Amerikanerin?«, fragte Margaret.
    »Richtig. Und Sie sind offenbar Engländerin. Welches Problem haben Sie?«
    »Kein Problem. Es ist fast ein wenig peinlich. Wir sind Musikwissenschaftler und ...«
    »Beethoven. Richtig. Sie sind nicht die Ersten. Kommen Sie herein.«
    »Es tut uns schrecklich leid ...«
    »Es ist schon in Ordnung. Vorn am Gebäude hängt eine Tafel. Die meisten Touristen suchen den Neunzehnten Bezirk auf, wo er die Pastoral-Sinfonie komponierte.«
    Als Martin und Margaret in der Wohnung verschwanden, hatte Simon sich eine Position ausgesucht, die ihm einen sicheren Zugriff versprach, wenn die Oliviers wieder zurückkämen - wäre da nicht eine architektonische Besonderheit gewesen, die jeder normalen Logik widersprach und mit der Simon keinesfalls hatte rechnen können. Ein ungewöhnlicher Hinterausgang war geschaffen worden, als im Rahmen des Marshall-Plans in der Mitte des Gebäudes ein zusätzlicher Lüftungsschacht eingezogen worden war.
    Angeblich hatte zu

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