Bestiarium
Utopia-Schrift des Thomas Morus, Leipzig und Berlin, Teubner 1929, 738-B. 37 Neu Per
Doni, Antonio Francesco, Mondi celesti, terrestri, et infernali ... Venezia, Moretti 1583, 224456-A ...
Und so weiter.
»So funktioniert das nicht«, stöhnte Martin, der heftig unter Schlafmangel litt. Er schlurfte ins Badezimmer und beugte sich über das kunstvoll verschnörkelte Waschbecken. Er blickte in sein übermüdetes Gesicht und hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen.
Vier Stockwerke tiefer zeigte Jean-Baptiste Simon dem Hotelmanager seinen Interpol-Ausweis. Le Bons Peilsender hatte ihm die Position der Oliviers verraten, und anstatt jemand anderen hinzuschicken, hatte Simon entschieden, das Ehepaar selbst zu überprüfen. Er verspürte ein sehr persönliches Interesse an dem Fall.
»Vier-vierzig. Eine unserer schönsten Suiten«, sagte Thomas Rischka, nachdem er die Information auf einem Computer in seinem Büro aufgerufen hatte. »Sie sind erst vor anderthalb Stunden angekommen. Hier sind die Reisepassnummern.«
Simon sah ihn ausdruckslos an. »Die kennen wir bereits.«
»Dies ist ein Fünf-Sterne-Hotel«, betonte der Manager.
»Hm-hm.«
»Wir verlassen uns darauf, dass Sie sich bemühen werden, jede Störung unserer anderen Gäste zu vermeiden.«
Oben in ihrem Zimmer, das von der Notfalltreppe und vom Fahrstuhl etwa gleich weit entfernt war, hatte Margaret den seltsamsten aller Hinweise gefunden, wenn man ihn denn so nennen wollte. »Ich fass es nicht«, murmelte sie.
»Was ist los?«, fragte Martin und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo Margaret an einem Biedermeier-Schreibtisch saß.
Sie hatte nur zur Sicherheit die berüchtigte »Gästeliste« geöffnet. Und da war sie. Sie hatte sie schon vorher gesehen, aber sie war ihr unter so vielen unglaublich berühmten Namen nicht aufgefallen. Die Unterschrift von Ludwig van Beethoven.
KAPITEL 49
D ie Übereinstimmung war zu klar. Dort war der identische Code, ohne das wh, was völlig logisch erschien. Die Bibliothekare der Hofburg brauchten in ihren eigenen zahlreichen Sammlungen keinen Verweis auf die Bibliothek. Aber besonders aufschlussreich war das Fehlen einer normalen Kategorie. Alle anderen Handschriften, Memorabilien und Kostbarkeiten waren entsprechend ihres jeweiligen Lagerorts genau aufgelistet - entweder in den kaiserlichen Gemächern oder in Sammlungen von Kronjuwelen des Heiligen Römischen Reichs, unter den Artefakten des Herzogs Albert von Sachsen-Teschen, unter den ägyptischen Papyri und so weiter.
Bei ihrer Computersuche war Margaret auf einen seltsamen Eintrag in der Hofburg für ein noch seltsameres Objekt gestoßen, das nicht weiter beschrieben wurde. Es konnte ebenso gut eine Handschrift wie auch ein Diamant aus Sansibar sein. Was genau, war nicht zu erkennen. Nur die Datumsangaben fielen ihr auf: »973112qzr«, beschrieben als erworben 1827, 29, 3. »Ausgebucht. 1939, 9.« Achtzehnhundertsiebenundzwanzig? Neun ... September?
Sie tippte schneller. »Da! Beethoven. Er starb am 26. März 1827, und sein Leichnam wurde am Nachmittag des 29. März, einem Donnerstag, in der Kirche in der Alsergasse eingesegnet.«
»Und das andere Datum?«, überlegte Martin laut. »Was war da?«
»Wann sind die Nazis in Polen eingefallen?«
»Etwa um diese Zeit.«
»Augenblick mal.« Sie tippte die entsprechende Frage. »Richtig. 1. September 1939. Neun entspricht dem September. Hmm ... nein, wie wäre es mit dem Neunten Bezirk hier in Wien? Beethoven wohnte im Neunten.«
»Ich wage zu behaupten, dass du allmählich klingst wie Onkel James, Liebes. Warum machst du es so einfach?« Ein einzelnes Buch im Neunten Bezirk zu finden war mehr als eine Nadel im Heuhaufen, eine lächerliche Sackgasse.
Sie blickte auf einen elektronischen Stadtplan und plante ihren nächsten Schritt. Dabei dachte sie wie ein Spielsüchtiger, der seine Chancen verbessern möchte, wie schön es doch wäre, die Hofburg zu meiden. Hieß »ausgebucht«, dass das Buch nicht mehr vorhanden war, oder war es einfach nur woanders eingelagert worden? Ihr Instinkt sagte, dass es verschwunden war. Hitler befand sich auf dem Vormarsch, und irgendjemand innerhalb der Verwaltung befürchtete einen Krieg, der ganz Europa erfassen würde. Wer immer es war, irrte sich nicht, und sein oder, wenn es mehrere Personen waren, ihr Instinkt riet ihnen, etwas an sich zu bringen, das einem Sohn Deutschlands gehörte - dem Mann, dessen Musik auf Hitlers Geburtstagspartys gespielt wurde -, ehe
Weitere Kostenlose Bücher