Bestie Belinda
verließen Carols Wohnung und zogen die Tür hinter uns zu. Im menschenleeren Flur fragte mich Abe noch mal und schaute mich direkt an. »Bist du dir wirklich sicher, nebenan jemand gesehen zu haben?«
»Ja, es war jemand dort.«
»Eine Frau oder ein Mann?«
»Das konnte ich leider nicht erkennen. Es war einfach zu dunkel. Ich würde mehr von einem Schatten sprechen, der sich dort bewegt hat. Aber ich habe mich nicht geirrt, das kann ich dir versichern. Außerdem ist es nicht so abwegig, dass Walker Besuch erhält. Schließlich ist er der Letzte auf der Todesliste.«
»Das ist mir klar. Dann wollen wir mal schauen.«
Abe Douglas bückte sich und schob den Schlüssel behutsam und sehr leise ins Schloss.
Ich stand hinter ihm und hatte schon meine Waffe gezogen. Eine leichte Drehung reichte aus, und die Tür war offen. Abe Douglas stieß sie noch nicht nach innen. Er holte zunächst tief Luft und zog den Schlüssel wieder hervor. Danach ließ er die Klinke los, um beide Hände frei zu haben. So konnte auch er seine Waffe ziehen.
Fingerbreit stand die Tür nur offen. So konnten wir zumindest in die Wohnung hineinhorchen. Wir erlebten die erste Enttäuschung. Es war nichts zu hören.
Ich blieb hinter meinem Freund, als er den Spalt vergrößerte. Die Beretta hielt ich in der rechten Hand. Der Arm war leicht angewinkelt, und die Mündung wies gegen die Decke.
Ein Duft nach einem herben Rasierwasser hing in der Luft. Wir übertraten die Schwelle und waren jetzt froh, dass die Wohnung ebenso aussah wie die nebenan. Da brauchten wir uns nicht lange zu orientieren. Auch in der Dunkelheit fanden wir uns zurecht.
Zur Wohnung gehörte auch ein kleiner Flur. Er war sogar recht breit.
Die Zimmer gingen davon ab und natürlich auch das größte, das Wohnzimmer mit der sich daran anschließenden Terrasse.
Es war sehr still um uns herum. Man hätte die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören können, denn auch Abe Douglas und ich hielten den Atem an.
Zum großen Wohnzimmer hin führte eine Tür. Sie war nicht geschlossen, stand aber auch nicht so weit offen, dass wir den gesamten Raum hätten überblicken können. Von der Terrasse her drang ein heller Streifen in den Raum hinein, der sich aber sehr bald wieder verlor.
Einige Sekunden hatten wir verstreichen lassen, ohne ein Wort zu flüstern. So wie es aussah, waren wir die Einzigen in der Wohnung, aber ich dachte auch an den Schatten, der sich hinter der Scheibe bewegt hatte.
War es doch eine Täuschung gewesen?
Ich wollte es nicht glauben.
Abe Douglas, dessen Gesicht ich aus nächster Nähe sah, schaute mich zweifelnd an. Ich ahnte, was er dachte, doch darauf nahm ich keine Rücksicht.
Ich brachte meinen Mund dicht an sein Ohr und hauchte ihm die Worte hinein. »Bleib du hier stehen. Ich schaue mich mal im Wohnzimmer um. Okay?«
Er nickte nur.
Ich berührte die Tür zum Wohnzimmer mit der linken Hand. Sehr langsam drückte ich sie nach innen. Mein Blickwinkel verbesserte sich von Sekunde zu Sekunde, und schließlich war ich in der Lage, das Wohnzimmer zu überblicken.
Ich hatte mich nicht frontal vor der Tür aufgebaut, sondern mich etwas zur Seite gedreht, um keine Zielscheibe zu bieten. Der große Raum lag vor mir, auch die Scheibe zur Terrasse, und ich sah die Umrisse der Möbel, wobei mir der Bildschirm des Fernsehers zuerst auffiel, da er sich in einem matten Grau abmalte.
Kein Atmen, kein Geräusch wehte mir entgegen. Das Zimmer lag still vor mir.
Ich spielte mit dem Gedanken, das Licht einzuschalten, ließ es dann lieber bleiben, denn ich befand mich noch immer in einer schlechteren Position.
Nachdem einige Zeit verstrichen war, wollte ich nicht länger warten und ging in das Zimmer hinein. Den Arm mit der Beretta hatte ich gesenkt. Ich hielt die Waffe jetzt mit beiden Händen fest und drehte mich während des Gehens leicht nach rechts und auch nach links.
Da erwischte es mich.
Das Zucken auf der Brust. Der leichte Wärmestoß. Nur ein geringes Warnsignal, aber durchaus spürbar. Für mich stand spätestens in diesem Augenblick fest, dass ich mich nicht mehr allein in diesem Zimmer aufhielt. Es lauerte jemand in der Nähe, der nicht eben zu meinen Freunden zählte, sondern zur anderen Seite.
Aber wo?
Ich verhielt mich normal. Gab durch nichts bekannt, dass ich etwas gemerkt hatte. Auf der Stirn hatte sich Schweiß gebildet. Sich so ruhig zu verhalten ist verdammt anstrengend.
Es erwischte mich trotzdem wie der Blitz aus heiterem Himmel.
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