Bestien in der Finsternis
weil ich ihn für schuldig hielte. Ich soll kommen
und strahlen.“
„Und?“ fragte Patzke. „Gehst du
hin?“
Sie nickte. „Ich finde, er hat
recht.“
Eine Weile schwiegen alle.
Dann raffte Patzke sich zu der
Frage auf: „Können wir dir irgendwie helfen?“
„Ich wüßte nicht, wie. Erst mal
müssen wir abwarten.“
Die beiden nickten.
11. Knoten in der Leitung
Patzke fuhr bis zum Anfang der
Seeleiten-Straße. Als sie auf den stadtwärts führenden Zubringer einbogen, nahm
er die Hände vom Lenkrad und patschte sich auf die Schenkel.
„Was sagst du nun?“
Rödl grinste. „Uns lächelt das
Glück.“
„Na, und wie!“
„Also morgen nacht. Dieses
treusorgende Weib geht tatsächlich zur Party.“
„Was uns ja sehr recht ist.“
„Wir haben freie Bahn, Hugo.
Völlig freie Bahn! Niemand ist in der Villa.“
„Wir knacken den Safe“, nickte
Patzke. „In aller Ruhe. Und dann haben wir leichtes Spiel.“
„Willst du dem alten Goldmann
die Klunkern zum Rückkauf anbieten?“
„Nee. Wir bieten sie Lena an.
Sie muß zugreifen. Denn die bösen Einbrecher haben sie völlig in der Hand.“
„Klar. Als Zenkes Freundin
hängt sie in allem mit drin. Außerdem handelt sie immer in seinem Sinn.“
„Sie hat Kontogewalt, kann also
ran an die Mäuse. Und die muß sie ausspucken.“
Rödl nickte, rieb sich die
Hände und überlegte, was er mit seinem Anteil des Geldes machen würde.
Plötzlich lachte er auf.
„Weißt du was, Hugo? Als erstes
kaufe ich mir einen so schicken Gürtel, wie du ihn hast.“
Auch Patzke lachte. Er wußte,
das war nicht ernst gemeint. Zu dem lehmgelben Freizeitanzug, den er heute
trug, hatte er sich einen breiten, modischen Gürtel zugelegt: braunes Leder,
geflochten.
Die Schnalle bestand aus einem
messingfarbenen Löwenkopf. Der König der Wüste hatte den Rachen aufgerissen und
zeigte die Zähne.
Es war ein schaurig
geschmackloser Gürtel. Aber er paßte zu Patzke.
*
Irgendwas stimmt nicht, dachte
Tim während des Abendessens im großen Speisesaal.
Eine Ahnung beunruhigte ihn,
etwas Unbestimmtes — wie der blasse Schatten eines wichtigen Gedankens.
Aber, zum Teufel, ihm fiel
nicht ein, was es war.
Im ADLERNEST kochte an diesem
Abend die Luft.
Die kleine Bude liegt
südseitig. Die Sonne hatte viel Zeit, die Luft aufzuheizen.
Klößchen hatte schon zweimal
geduscht.
Jetzt kam er aus dem Waschsaal,
in ein feuchtes Laken gewickelt, mit tropfnassen Haaren.
„Man fühlt sich wie geröstet“,
meinte er.
Tim lag auf seinem Bett.
Die Nachttischlampe brannte.
Er hatte ein Buch vor der Nase,
las aber nicht, sondern dachte nach.
„Ob wohl die Taube verbrannt
ist?“ sagte Klößchen.
„Die Taube aus Schottloffs
Haus?“
„Dieselbe.“ Er zog seinen
Schlafanzug an und setzte sich aufs Bett. „Rauchen Tauben?“
„Was?“
Klößchen lachte. „Ich weiß.
Tauben sind zwar nicht so schlau wie Oskar oder wie Delphine. Andererseits sind
sie nicht so blöd, daß sie sich Nikotin und Teerstoffe in die Lungen pfeifen.
Aber es sah so aus.“
„Was sah so aus?“ Tim legte
sein Buch beiseite.
„Schottloffs Taube. Als wir
ankamen, sah ich gerade noch, wie die ins Dachfenster flatterte. Aber vorher
saß sie auf dem Fenstersims. Was sie im Schnabel hatte, sah aus wie ein
brennender Zigarrenstumpen.“
Tim richtete sich auf. „Und das
sagst du erst jetzt?“
„Es ist doch nicht wichtig.
Oder meinst du, eine Taube raucht Zigarren?“
„Willi! Es gibt diebische
Vogelarten, die alles mitnehmen, was glitzert. Vorausgesetzt, sie können es
tragen. In den Nestern von Elstern hat man schon Schmuck gefunden. Andere
Vogelarten bevorzugen irres Baumaterial für ihr Nest. Andere sammeln
Silberpapier, Draht und sogar Scherben. Es ist keineswegs unmöglich, daß
Schottloffs Taube einen Dachschaden hat. Vielleicht sammelt sie Kippen (Zigarettenstummel). Hat sie heute einen brennenden Zigarrenstumpen gefunden — und auf den Dachboden
geschleppt?“
Klößchen ließ den Mund offen.
„Das hieße ja, Zenke ist unschuldig.“
„Dann wäre seine Behauptung
wahr, er hätte den Pfeil verloren und...“
Tim hielt inne.
In diesem Moment nahm der
blasse Gedankenschatten klare Umrisse an.
„Oskar!“ brüllte er.
Klößchen schnellte hoch, stand
plötzlich im Bett.
„Himmel, hast du mich
erschreckt! Weshalb schreist du? Was ist mit Oskar?“
Tim klatschte sich die flache
Hand an die Stirn.
„So was von Ladehemmung ist
nicht zu entschuldigen. Da grübele
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