Bestien in der Finsternis
weil ihn
eine goldene Haarsträhne an der Nase kitzelte.
Glockner war an seinem
Schreibtisch, und seine Stimme klang, als hätte er ziemlich lange mit den Zähnen
geknirscht.
„Hat sich was ergeben, Papi?
Wir wollen dich nicht nerven, sind aber wahnsinnig gespannt.“
„Es ist alles gelaufen“,
berichtete Glockner. „Nach etwa zehn Minuten hatten wir den roten Pfeil
gefunden. Das heißt, Arco vom Ockerhof, unser bester Fährtenhund, hat ihn aus
einem Busch gezerrt. Der Pfeil wies Bißspuren auf. Was darauf hindeutet, daß
Oskar ihn im Maul hatte. Übrigens hat der Pfeil keine Metallspitze. Sie wurde
abgemacht.“
„Was bedeutet das?“
„Ich vermute, Zenke hatte genau
das vor, was ihm unterstellt wurde. Aber der Verlust des Pfeils verhinderte die
Ausführung. Das hilft uns allerdings wenig. Auf seiner Absicht können wir ihn
nicht festnageln.“
„Hast du ihm gesagt, daß die
Taube einen glimmenden Zigarrenstummel im Schnabel hatte.“
„Als er das hörte, war er wie
vom Donner gerührt. Er meint, das sei sein Zigarrenstummel gewesen. Den hätte
er nach der Taube geworfen, als sie am Straßenrand saß.“
„Ist das fahrlässige
Brandstiftung?“
Glockner lachte freudlos.
„Leider nicht. Wenn er ihn im Wald, wo Rauchen verboten ist, weggeworfen hätte,
sähe die Sache anders aus. Aber auf der Seeleiten-Straße hat er nicht
nachweisbar fahrlässig gehandelt.“
„Bockmist!“ schimpfte Gaby.
„Sag mal, habt ihr Pause?
Nicht, daß ihr die nächste Stunde verpaßt.“
„Erdkunde fällt aus. Wir haben
Zeit. Tim steht neben mir. Wir sind alle wütend wie... wie Dampfkessel. Was ist
nun mit Zenke?“
„Der ist schon wieder zu Hause.
Natürlich mußten wir ihn freilassen. Das Indiziengebäude ist ja nun
zusammengebrochen. Und zum Schluß saß er auf ganz hohem Roß.“
„Auf dem hohen Roß?“
„Er behauptete, ihr hättet den
Pfeil versteckt, um ihn zu belasten.“
„Unverschämtheit!“ rief Tim.
„Da stimme ich dir zu“, kam
Glockners Antwort. „Außerdem meinte er, Schottloff hätte sein Haus sicherlich
selbst angezündet, um zum einen die Versicherungssumme einzustreichen und um
zum anderen ihn, Zenke, in Verdacht zu bringen.“
„Lächerlich!“ sagte Gaby.
„Klar! Daran glaubt Zenke ja
selbst nicht. Aber er läßt Dampf ab.“
„Hast du ihn noch mal auf Oma
Habrechts Geld angesprochen?“
„Habe ich. Er streitet nach wie
vor alles ab. Wir sind in inniger Feindschaft geschieden. Ich habe ihm abermals
versichert, daß ich seinen Im-Export-Geschäften nachspüren werde. Das hört er
nicht gern. Aber ich verspreche mir, ehrlich gesagt, nicht sehr viel davon. Ich
wollte nur, daß sich dieser Kerl nicht so sicherfühlt.“
„Vielen Dank, Papi. Jetzt
wissen wir Bescheid.“
Den Rest der Freistunde
verbrachte die TKKG
Bande unter einer lauschigen
Ulme auf dem Pauker-Grün.
Klößchen futterte aufgeweichte
Schokolade. Karl polierte häufig seine Brille, deren Gläser ob der Hitze
beschlugen. Gaby hatte Pech. Gerade als sie gewohnheitsmäßig gegen ihren Pony
pustete, flog ihr eine winzige Fliege ins Auge.
Es tränte. Tim benötigte fast
eine Minute, um die Fliege zu entfernen.
Aus solcher Nähe und so tief
hatte er seiner Freundin noch nie in die Augen gesehen — denn bei
diesbezüglichen Gelegenheiten, vor der Haustür und so, ist es meistens schon
dunkel.
„Punkt drei heute nachmittag“,
sagte er nach erfolgreicher Hilfeleistung, „sind wir bei Schottloff eingeladen.
Willi wird fürchterlich fressen. Schottloff will uns seine Schlange zeigen. Und
im übrigen verspreche ich mir gewisse Infos, die vielleicht nützlich sind.“
„Was für Infos?“ fragte
Klößchen.
„Von Schottloff über Zenke.
Könnte doch sein. Oder?“
*
Auf der Terrasse nahmen sie ein
spätes Frühstück ein.
Lena Oehm hatte den Tisch
gedeckt wie bei Baron Josef von Bekekecsvasarhely, einem Ungarn, der sie
einstmals versehentlich eingeladen hatte, weil er sie für eine russische
Spionin hielt.
Zenkes Terrassentisch bog sich
unter teurem Porzellan und Silber.
Es gab Gutsleberwurst, drei
Sorten Käse, Rollmöpse und aufgebackene Semmeln. Dazu tranken sie Sekt.
„Es war knapp“, sagte Zenke.
„Aber das Glück ist an meiner Seite.“
„Das Glück ist immer bei dem
Tüchtigen“, nickte Lena. „Das steht schon in der Bibel.“
Zenke furchte die Stirn. Er
bezweifelte diese Behauptung. Außerdem hielt er’s für unwahrscheinlich, daß
seine Lebensgefährtin jemals die Bibel
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