Bestien in der Finsternis
damit beschäftigt war, die Schläuche einzurollen.
Ohne Rücksicht auf die
technische Ausrüstung der Brandbekämpfer holperte sie über Schläuche und
Spritzen, fuhr an der TKKG-Bande vorbei und hielt auf dem Wendeplatz.
Offenbar hatte sie einen
Schlüssel zur Zenke-Villa.
Tim beobachtete, wie sie
aufschloß und im Haus verschwand.
„Wenn Oma Habrechts Geld nicht
in der Villa ist“, sagte er leise zu seinen Freunden, „dann könnte man
vielleicht mal bei dieser Lebensgefährtin suchen.“
Er wandte sich an Schottloff,
der in diesem Moment zu ihnen trat. „Wissen Sie, ob Lena Oehm ständig bei Zenke
wohnt, oder hat sie eine eigene Adresse?“
„Ich glaube, sie hat eine
Wohnung in der Stadt.“ Schottloff lächelte. „Euch vier würde ich gern einladen.
Als kleine Anerkennung für euren Einsatz. Paßt es euch morgen nachmittag?“
Alle waren einverstanden — und
selbstverständlich erfreut.
Klößchen konnte sich nicht
enthalten, anzumerken: „Falls Sie vorhaben sollten, uns zu bewirten, darf ich
für meine Person darauf hinweisen, daß ich alles bevorzuge, was mit Schokolade
verarbeitet ist. Außerdem habe ich einen gesunden Appetit.“
*
Die Strahlen der Abendsonne
fielen schräg über das Ufergebüsch, trafen den See und vergoldeten ihn.
Aus der Holzhaus-Ruine
kräuselte ein dünner Rauchfaden. Ein paar Schwalben, die das Ereignis nicht
begriffen, umflogen die Brandstelle.
Rosa, die weiße Taube, hatte
jetzt kein Zuhause mehr. Sie war durchs Dachbodenfenster geflohen, als die
ersten Flammen aufzüngelten.
Daß sie selbst durch
elsternhafte Neugier das Feuer verursacht hatte, wußte sie nicht. War sie’s
doch gewohnt seit jeher, dieses und jenes, was ihr nützlich erschien, in ihren
Taubenschlag zu tragen.
Jetzt saß sie in einem hohen
Bergahorn, der schon auf Zenkes Grundstück stand, und gurrte leise und traurig.
Die Straße unten war leer und
einsam, das verspritzte Wasser der Feuerwehr längst getrocknet.
Bevor die Sonne hinter den
westlichen Hügeln versank, rollte eine alte Blechkutsche heran, deren Dach Rosa
schon mehrfach mit ihrem Verdauungsfinale beehrt hatte.
Der Wagen hielt auf dem
Wendeplatz.
Patzke und Rödl stiegen aus.
Sie betraten das Zenke-Grundstück.
Lena saß auf der Terrasse.
Tod und Teufel hatte sie in
Bewegung gesetzt. Sie hatte mit ihrem Anwalt telefoniert, mit ihrer Mutter in
Hamburg — einer ausgebufften Kneipenwirtin mit dem Stellvertreter des
Polizei-Präsidenten und mit Friedhelm Assmann, dem Chef von Assmann-Bau, jenem
Unternehmen, bei dem Patzke als Hilfsgärtner jobbte.
Lena hatte gefleht, getobt,
Rabatz gemacht, gedroht und zweimal geheult. Jetzt war sie erschöpft. Sie trank
bereits die zweite Flasche Sekt und starrte trübsinnig hinunter zum See.
„Tag, Lena!“ sagte Patzke. „Sie
haben ihn also wirklich festgenommen?“
„Setzt euch! Ja, sie haben.“
Rödl schüttelte seinen
Kahlschädel. „Und? Was meinst du? Hat er die Bude angezündet? Ja oder nein?“
„Das ist doch völlig
nebensächlich“, fuhr sie ihn an. „Tatsache ist, daß er’s niemals so gemacht
hätte, wenn er dabei erwischt worden wäre. Also stimmt irgendwas nicht.“
Patzke wischte über sein graues
Schauder-Gesicht. „Was stimmt nicht?“
Sie erzählte ihnen von dem
verlorenen Holzpfeil. Am Telefon hatte sie davon nichts gesagt.
„Wenn das stimmt, muß er da
sein“, meinte Patzke.
„Er ist nicht da. Fünfmal bin
ich die Strecke abgelatscht. Und vorher haben Albi und die Bullen gesucht.“
Patzke und Rödl machten
bedenkliche Gesichter.
„Der Anwalt will versuchen, ihn
frei zu kriegen“, fuhr Lena fort. „Aber er meint, es sehe schlecht aus. Wegen
Albis Vorstrafen.“
„Na ja“, meinte Patzke
unbestimmt.
Er und Rödl hatten Mühe, ihre
Schadenfreude zu verbergen. Endlich saß er in der Tinte, der Ausbeuter.
„Und ausgerechnet jetzt!“ sagte
Lena. „Wo wir doch für morgen abend eingeladen sind. Zu Assmanns Riesenfete.
Das geht immer bis fünf Uhr früh. Albi hatte sich so darauf gefreut. Zu
ärgerlich.“
„Assmann“, nickte Patzke, „will
wieder mal ‘ne ganz große Schau abziehen. Feinkost-Schnecke stellt drei
Gartenzelte auf. Jede Menge kaltes Buffet und zu schlucken, ‘ne Band spielt.
Alle Schicki-Mickis kommen.“
„Ich habe vorhin mit Assmann
telefoniert“, sagte Lena. „Wollte absagen. Aber er hat mich bekniet. Es wäre
doch nicht in Albis Sinne, wenn ich wegbleibe. Das sähe ja fast so aus, als
hätte ich den Mut verloren,
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