Bestien in der Finsternis
bei Robert Solthus sehe ich das anders. Der...“
„Was?“ schnitt ihm
Rattengesichts Jaulstimme das Wort ab. „Solthus? Meinst du Amtsrichter
Solthus?“
Tim sparte sich die Antwort.
Denn in diesem Moment rollte ein Taxi heran. Solthus stieg aus, nachdem er den
Fahrer bezahlt hatte.
„Kinder, da seid ihr ja!“ rief
er erfreut. „Ihr macht’s mir wirklich leicht, in meine Heimatstadt
zurückzukehren, nach den vielen Jahren.“
Klößchen dämpfte die Freude,
indem er bodenwärts deutete.
„Hier werden übrigens Beete
angelegt, Herr Solthus. Also nicht darauf rumtrampeln.“
„Sonst fliegen Bierflaschen als
Wurfgeschosse“, meinte Tim lachend.
Solthus’ Miene wurde ernst. Er
hatte verstanden. Sein Blick wanderte zu dem Rattentyp im Overall.
Aber was war denn mit dem los?
Beinahe hätte sich Tim die Augen gerieben. Denn der hauptamtliche Unkrautzupfer
grinste, als säße er auf einer glühenden Herdplatte — zur allgemeinen
Erheiterung.
„Patzke?“ fragte Solthus
erstaunt. „Hugo Patzke — sind Sie’s?“
„Tag, Herr Amtsrichter.“ Das
Grinsen erstarrte. „Ja, ich bin’s. Ist lange her.“
„Zwölf Jahre. Damals war ich
noch hier am Gericht.“
„Dreizehn Jahre.“
„Arbeiten Sie jetzt als
Gärtner?“
„So halb. Ich bin für den
Dünger zuständig. Ist nur ein Aushilfsjob.“
„Ich hatte Ihnen doch damals
eine angenehme Stellung verschafft.“
„Damals.“ Patzke zuckte die
Achsel. „Was ist schon von Dauer?“
Solthus schwieg einen Moment,
ehe er sagte: „Hat mich gefreut, Sie zu sehen, Patzke. Wenn Sie Hilfe brauchen,
können Sie sich gern an mich wenden.“
Er nickte ihm zu.
„So, Kinder“, meinte er dann,
„und nun zeige ich euch, wie es in meinen künftigen vier Wänden aussieht.“
21. Späte Rache
Die Wohnung lag im ersten
Stock, war gut geschnitten und hatte einen breiten Balkon.
Während Solthus’ letztem
Besuchs war bereits ein Teil der Möbel angeliefert worden. Verpackungsmaterial
lag herum und wurde von Oskar beschnüffelt. Außerdem fand er die Reste einer
Handwerker-Brotzeit.
Die Jungs, von denen keiner
Innenarchitekt oder Kunsttischler als Beruf anstrebte, verteilten
pflichtschuldig Blicke.
Tim brannte eine Frage auf der
Zunge. Aber Gaby kam ihm zuvor.
„War dieser Patzke mal beim
Gericht angestellt, Onkel Robert?“ fragte sie.
„Für den hätten wir uns
bedankt“, erwiderte er lächelnd. „Nein, Gaby. Patzke war ein berüchtigter
Ganove — allerdings noch jung und besserungsfähig. Ich mußte ihn zu einer
zweijährigen Haftstrafe verurteilen. Begriffen hat er das nicht. Er war
bitterböse. Am liebsten hätte er mich umgebracht. Damit er nicht für immer auf
der schiefen Bahn bleibt, habe ich ihm nach seiner Entlassung eine Anstellung
besorgt. Dann kam ich nach Frankfurt, und hatte ihn aus den Augen verloren.“
„Aber irgendwann trifft man
sich wieder“, stellte Karl fest.
Tim öffnete die Balkontür und
trat hinaus. Die andern folgten ihm.
Schöner Ausblick, dachte er.
Ziemlich genau nach Südwesten. Soweit das Auge reicht nur Gärten und Villen.
Er lehnte sich auf das stabile
Holzgeländer. Es war an beiden Seiten an den Vorsprüngen der Mauer befestigt.
Er sah hinunter. Obwohl sie
sich im ersten Stock befanden, war die Höhe beachtlich. Unter anderm deshalb,
weil unten der Boden etwas abfiel. Zudem war das Erdgeschoß eine Art
Hochparterre.
„Würdest du hier
runterspringen?“ fragte Klößchen, der sich neben ihm über das Geländer beugte.
„Nur wenn es hinter mir
brennt.“
Die Türklingel schrillte. Es
war der Bote vom Blumenhaus. Er lieferte die Zimmerpflanzen — etliche; und die
Jungs halfen beim Hochtragen.
Schließlich stand allerlei
Grünzeug in Kübeln herum, darunter auch Palmen, Flaschenbäume und Farne.
„Verbindlichsten Dank!“
strahlte der Bote, als er von Solthus Trinkgeld erhielt. „Die vier dort links
sind die Neuzüchtungen. Sie brauchen jeden zweiten Tag Wasser.“
Nachdem der Bote gegangen war,
kratzte sich Solthus am Ohr. „O weh! Wie bringe ich die jetzt durch? Ich
glaube, ich brauche deine Hilfe, Gaby.“
„Du meinst, irgendwer muß sie
gießen? Aber du ziehst doch übermorgen ein.“
„Leider erst nächste Woche. Die
Auflösung meiner alten Wohnung verzögert sich.“
„Ist doch kein Problem“, meinte
Tim. „Wenn Sie uns die Wohnungsschlüssel hier lassen, werden wir Ihre Pflanzen
maßgerecht tränken.“
„Ich rechne mit euch“, lächelte
Solthus — und übergab ihnen den
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