Bestimmt fuer dich
gut darin, keine zu langen Pausen entstehen zu lassen. Ihre Hände verschränkten sich immer wieder, ihr Lächeln war voller Zuversicht und Bestätigung, aber jeder von ihnen wusste, dass die Unbeschwertheit der letzten Tage verloren war.
Als sie den Wahrsager verlassen hatten, waren sie beide entschlossen gewesen, seine Warnung abzuschütteln wie ein lästiges Insekt. Der Vorfall mit der Flasche hatte ihr jedoch eine Glaubwürdigkeit verliehen, über die sie nicht so einfach hinweggehen konnten. Erst recht nicht, da sie erst vor wenigen Tagen etwas erlebt hatten, das inzwischen auch Lukas insgeheim gern als Wink des Schicksals betrachtet hätte.
Hatte das Universum sie wirklich nicht zusammen geführt? Und bestand ihre einzige Chance, zukünftigem Unheil zu entgehen, darin, sich zu trennen?
Lukas weigerte sich mit aller Kraft, das zu glauben. Gleichzeitig machte es, besonders im Hinblick auf seine Vergangenheit, auf schreckliche Weise Sinn.
Er fragte sich, ob er Rosanna verraten sollte, was damals zwischen Jane und ihm passiert war, fürchtete aber, damit alles noch viel schlimmer zu machen. Ohnehin hatte er trotz aller Gesten der Zuneigung das Gefühl, dass Rosanna dabei war, sich innerlich von ihm zurückzuziehen. Hatte er durch sein Liebesgeständnis schon genug zerstört?
Tatsächlich hatte dies Rosanna zwar irritiert, aber nicht von Lukas weggetrieben. Im Gegenteil, sie hoffte, dass sie gemeinsam herausfinden könnten, was sein Geständnis wirklich bedeutete, um es am Ende zu bekräftigen.
Was sie verunsicherte, war das Phänomen sogenannter sich selbst erfüllender Prophezeiungen – also angekündigte Geschehnisse, die man anschließend selbst unbewusst herbeiführte und mit einer Bedeutung auflud, die sie in Wahrheit gar nicht hatten. Aber wenn Rosanna eine in Haaresbreite an ihrer Nase vorbeifliegende Bierflasche in dieser Kategorie verschwinden lassen wollte, konnte sie dann ernsthaft ihren überlebten Autounfall weiterhin als Zeichen betrachten? Steckte nicht vielmehr schiere Willkür dahinter, dem einen Ereignis mehr Bedeu tung beizumessen als dem anderen? Musste sie nicht beide Vorfälle als schicksalhaft betrachten – oder keinen davon?
Egal, wie sie es drehen oder wenden wollte, Rosanna fühlte sich auf einmal in einem elenden Teufelskreis gefangen, aus dem sie nur mit einer klaren Entscheidung ausbrechen konnte. Und zu der würde sie nur gelangen, wenn sie ein Risiko einging.
»Übernachten wir heute mal bei dir?«, fragte sie Lukas, und ihm fiel keine Ausrede mehr ein. Natürlich würde Rosanna in seiner Wohnung nichts entdecken, was sein Geheimnis offenbaren würde. Aber sie würde sicher anfangen, Fragen zu stellen. Und sie verdiente es nicht, dass er ihr noch länger auswich. Während der letzten Woche hatte Lukas ab und zu die Hoffnung verspürt, Rosanna nicht die ganze Wahrheit erzählen zu müssen. Er hatte das Gefühl gehabt, damit vielleicht das Richtige zu tun. Nach dem heutigen Abend war er jedoch davon überzeugt, ihr nichts verschweigen zu dürfen.
Als Rosanna ihn bat, vorher noch kurz in ihrer Wohnung ein paar Sachen einzupacken, konnte Lukas sich über die Verzögerung nicht freuen. Die Gewissheit, durch den Besuch beim Wahrsager alles zerstört zu haben, lastete tonnenschwer auf ihm. Offensichtlich war es ihm unmöglich, aus Fehlern zu lernen.
16
Rosanna betrat ihr Wohnzimmer und warf die Post, die sie aus dem Briefkasten ge fischt hatte, auf den Stapel der anderen ungelesenen Briefe, die im Verlauf der letzten Woche eingetroffen waren. Dabei rutschten die Umschläge auseinander und fielen auf den Boden. Als sie sie aufhob, erkannte Rosanna, dass einer der Briefe von ihrem Vermieter stammte. Der schickte für gewöhnlich nur einmal im Jahr die Nebenkostenrechnung. Rosanna runzelte die Stirn und öffnete den Umschlag. Sie las das kurze Schreiben und steckte es schweigend wieder zurück.
»Schlechte Nachrichten?«, fragte Lukas.
Rosanna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mein Vermieter hat mir gekündigt. Eigenbedarf.« Lächelnd fügte sie hinzu: »Noch ein Grund mehr, endlich deine Wohnung anzuschauen.«
Lukas starrte sie an. Bevor er etwas erwidern konn te, klingelte das Telefon. Rosanna zögerte, nahm dann aber den Hörer ab.
»Hi.« Kiras Stimme war so gelassen wie immer, als sie darauf hinwies, Rosanna innerhalb der letzten Wo che mehrfach auf die Mailbox und den Anrufbeantworter gesprochen zu haben, ohne zurückgerufen worden zu sein. »Dachte schon, du magst
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