Bestimmt fuer dich
achselzuckend.
»Ich sehe außerdem … Wasser …«
»Regen?«, warf Lukas ein.
»Wellen«, fuhr Shandu mit seiner heiseren Stimme fort. »Ein gewaltiges, tosendes Meer. Und … Sie!« Er deutete mit einem Wurstfinger auf Rosanna. »Sie gehen darin unter, drohen zu ertrinken, die Wellen schlagen über Ihren Kopf, und alles, was Sie sehen, ist Dunkelheit …«
Rosanna starrte den Wahrsager erschrocken an. Dann lächelte sie abwehrend, aber für Lukas war der Spaß nun vorbei.
»Was soll das?«, knurrte er den großen Shandu an. »Ich hab ja gleich gedacht, Sie wären besser in der Geisterbahn aufgehoben. Aber wenn Sie glauben, Sie könnten uns auf so billige Weise Angst einjagen –«
»Was ich sehe, muss kein wahrhaftiges Meer sein«, verkündete der große Shandu. »Vielleicht ist es ein Bild für das Leben im Allgemeinen.«
Lukas schnaubte verärgert und ergriff Rosannas Hand. »Komm, wir gehen.«
Aber der Wahrsager zeigte erneut mit seinem Finger auf Rosannas Gesicht. »Sie sind verloren, wissen nicht weiter …«
»So wie Sie im Augenblick, stimmt’s?« Lukas zwin kerte Rosanna beruhigend zu. »Improvisieren ist eben nicht jedermanns Stärke.«
»Und Sie«, fauchte der große Shandu und zeigte auf Lukas, »müssen lernen, alles zu verlieren, bevor –«
»Bevor ich wieder alles gewinnen kann, meinen Sie? Hey, den Spruch hatte ich auch schon mal auf einem Kalender. Oder war’s in einem Glückskeks?«
Rosanna wurde ein wenig schwindelig, als Lukas sie auf die eingeschlafenen Füße zog. Ihrer Ansicht nach hatte der Wahrsager aus Wut über Lukas’ Respektlosigkeit übertrieben. Zudem wusste sie, dass der große Shandu nur eine große Show abzog. Das war ja wohl ganz klar. Dennoch musste Rosanna zugeben, dass es ihr nicht leichtfiel, über die Warnung hinwegzugehen. Wenn einem der eigene Untergang prophezeit wurde, und sei es noch so vage und allgemeingültig, konnte das einem irgendwie den Tag versauen.
Und der Wahrsager war noch nicht fertig. Bevor Rosanna und Lukas sein Zelt verlassen konnten, rief er ihnen hinterher: »Es gibt allerdings einen Weg, wie Sie das große Unheil in Ihrer Zukunft vermeiden können!«
Lukas gähnte. »Müssen wir ein Buch von Ihnen kaufen oder eine CD ?«
Shandu schüttelte den Kopf. Sein Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln. »Sie beide müssen sich trennen.«
» WAS ?« Lukas lachte wütend auf.
Der Wahrsager deutete entschuldigend auf die Kristallkugel. »Das Unheil, das Ihnen bestimmt ist, trifft Sie nur gemeinsam. Wenn sich Ihre Wege wie der trennen, werden Sie unbehelligt weitergehen können.«
»Moment mal …« Rosanna starrte den großen Shandu fassungslos an. »Das Schicksal hat uns doch zusammengeführt!«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete der Wahrsager ruhig. »Sieht eher so aus, als hätten Sie sich über den Willen des Schicksals hinweggesetzt.«
»Das ist doch Blödsinn«, schimpfte Lukas und trat drohend auf Shandu zu, bis ein schmerzerfülltes Fau chen sie alle drei zusammenschrecken ließ. Lukas war einer fetten schwarzen Katze auf den Schwanz getreten, die nun beleidigt zwischen Rosannas Füßen hindurch zum Ausgang des Zeltes schlich.
»Haben Sie vielleicht noch eine Leiter, unter der ich durchgehen kann?«, fragte Lukas den großen Shandu wütend.
»Diese Katze habe ich nie zuvor gesehen«, murmelte der, und die Sorge in seiner Stimme kam Rosanna unheimlich ehrlich vor.
Lukas versuchte ein ironisches Lächeln. »Und jetzt zur Achterbahn, okay?«
Rosanna schob sich an ihm vorbei und warf dem großen Shandu einen bohrenden Blick zu. »Sie müssen sich irren.« Sie deutete auf Lukas. »Er hat mein Leben gerettet.«
Der Wahrsager lächelte mitfühlend. »Sind Sie da ganz sicher?«
»Was soll das?«, fuhr Lukas ihn an. »Wollen Sie damit etwa sagen, es war meine Schuld, dass sie von einem Auto angefahren wurde?«
Der große Shandu wies entschuldigend auf seine Kristallkugel. »Ich kann Ihnen nur sagen, was ich sehe. Wenn Sie zusammen bleiben, wird das Schicksal Sie dafür bestrafen.«
14
»Das ist doch total lächerlich«, protestierte Lukas, als sie das Zelt verlassen hatten und an den Jahrmarktständen vorbeischlenderten. »Der Typ war einfach sauer, dass ich ihn nicht ernst genommen habe. Also hat er sich mit seinen Schlechte-Laune-Parolen gerächt. Nichts weiter.«
»Denke ich auch«, erwiderte Rosanna.
»Der Arsch weiß überhaupt nicht, wovon er spricht. Der war bloß eifersüchtig! Hast du nicht gemerkt, wie er dich
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