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Bestimmt fuer dich

Bestimmt fuer dich

Titel: Bestimmt fuer dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Rognall
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berührte Lukas sanft seine Hand. »Fritz?«
    Der alte Mann funkelte ihn an. »Was ist denn?«
    »Nichts, ich dachte nur …«
    »Willst du mich schon wieder ins Krankenhaus bringen?«
    »Nur wenn’s nötig ist.«
    Fritz rieb sich die Augen und murmelte. »Du könntest mich woanders hinbringen.«
    Lukas sah ihn erstaunt an.
    »Dein Angebot …« Fritz deutete zu dem gerahmten Foto, das Lukas ihm zum Geburtstag geschenkt hatte und das nun an einer Wand lehnte. »Fährst du mich hin?«
    Lukas zögerte.
    »Was ist, schon vergessen? Wer hat denn hier Alzheimer?«
    »Du hast kein Alzheimer«, widersprach Lukas.
    »Jetzt lenk nicht ab. Wann können wir los?«
    Lukas erklärte ihm, dass er selbstverständlich zu seinem Angebot stünde, aber laut Auskunft der Heim leiterin der Arzt im Krankenhaus Fritz jegliche Aufregung und Anstrengung untersagt hätte.
    Fritz lachte geringschätzig. »Was soll passieren? Dass ich nicht hundert werde?«
    »Warten wir doch einfach, bis sich dein Zustand stabilisiert hat.«
    »Du meinst, bis ich mich gar nicht mehr bewegen kann? Hübsch zusammenfaltbar für die Kiste?«
    Lukas legte beruhigend eine Hand auf Fritz’ Arm. »Ich verspreche dir, wir fahren.«
    »Morgen?«
    »Nein.«
    »Übermorgen? Nächste Woche? WANN ?«
    Der Zimmergenosse murmelte empört etwas vor sich hin.
    »Dreh dich um und halt dein Maul!«, bellte Fritz in seine Richtung. »Und wenn du wieder anfängst, die Bude vollzustinken, dreh ich dir den Sauerstoff ab!«
    »Fritz …«, begann Lukas.
    »Ich brauch deine Ermahnungen nicht!«
    »Das weiß ich –«
    »Und deine ständigen Besuche brauch ich auch nicht!«
    »Okay«, sagte Lukas betont gleichmütig.
    »Ich mein’s ernst!«, schrie Fritz ihn an, mit einer unbekannten Schärfe, die Lukas zusammenzucken ließ. »Scher dich zum Teufel!«
    »Versteh doch!«
    »Ich verstehe sehr gut! Du hast Angst, dass ich abkratze. Weil du dann ganz allein bist! Aber ich bin nicht dein Freund! Ich bin auch nicht dein Vater! Und schon gar nicht dein verdammter Kummerkasten!« Fritz’ Augen waren weit aufgerissen, und aus seinem Mund spritzte Speichel wie bei einem Tollwütigen. » ICH BIN ES SATT , KAPIERST DU ? ICH WILL NICHT MEHR ! MACH, WAS DU WILLST , ABER LASS MICH ENDLICH IN FRIEDEN ! HAST DU DAS VERSTANDEN ? HAST DU DAS ENDLICH VERSTANDEN ?«
    Lukas hörte noch im Treppenhaus, wie Fritz die Hasstirade fortsetzte, während ein Pfleger in sein Zimmer eilte, um ihn daran zu hindern, aus dem Rollstuhl zu steigen.
    Fritz’ plötzlicher Wutausbruch schockierte Lukas, aber die Beleidigungen störten ihn nicht. Er fragte sich, ob das ein Zeichen für sein großes Verständnis für den alten Mann war – oder ein Beweis für seine eigene fortschreitende Abstumpfung. Und sollte Letzteres der Fall sein, war das ein Grund zur Erleichterung? Vielleicht hatte Fritz recht damit, dass es besser war, wenn einem nichts mehr etwas bedeutete. Immerhin konnte einen dann auch nichts und niemand mehr verletzen.
    Als Lukas das Altersheim verließ und in den spä ten Frühlingsnachmittag hinaustrat, musste er da ran denken, dass Fritz in einem Punkt ganz bestimmt recht hatte: Er würde das geplante Buch über das Leben des alten Mannes nie beenden. Tatsächlich, so musste sich Lukas eingestehen, hatte er das auch nie ernsthaft vorgehabt. Das Ganze war nur ein wohlklingender Vorwand gewesen, um sich von der eigentlichen Frage abzulenken, was er mit seinem Leben nach Jane anfangen könnte. Und zu seiner Bestürzung musste Lukas sich eingestehen, dass er diesbezüglich immer noch kein bisschen klüger war.
    Eine Zeit lang beobachtete er die Autos, die an ihm vorbeirasten. Seine Gedanken kehrten zu Eva zurück und seiner Demütigung, für die sie Dominik benutzt hatte. Lukas zog sein Handy hervor, um nachzuprüfen, ob Eva ihn inzwischen zurückgerufen hatte – was nicht der Fall war. Er stellte fest, dass ihn diese Missachtung kaltließ. Dass Rosanna sich auch nicht gemeldet hatte, beunruhigte ihn hingegen – und machte ihm zugleich Hoffnung. Es gab also doch noch etwas, das ihm wichtig war. Es blieb nur die Frage: Wie lange konnte er sich daran noch festhalten?

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    Das weitläufige Wohnzimmer war gemütlich und geschmackvoll möbliert. Die breite Fensterfront erlaubte den Blick in einen großen Garten mit saftig grünem Rasen und bunten Blumen sowie einem Sandkasten, in dem das zweijährige Mädchen spielen konnte, das derzeit mit einem Bilderbuch auf dem Wohnzimmerteppich saß. In Abständen lugte es

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