Bestimmt fuer dich
–«
Rosanna wandte sich ab und sah Lukas enttäuscht an. »Vielleicht sollte ich später wiederkommen.«
»Aber wieso? Trinken Sie doch erst mal ’n Kaffee«, lud Dominik sie ein.
Lukas packte ihn und schob ihn in die Küche. Dann kam er zu Rosanna zurück und atmete tief durch, bevor er über seinen Schatten sprang. »Ich muss mit dir reden.«
Rosanna sah ihn gespannt an. »Über was?«
»Alles«, gestand Lukas.
Für einen Moment hatte Rosanna das Gefühl, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, direkt herzukommen.
»Ich muss dir auch was erzählen«, erwiderte sie.
»Ich geh so lange ins Nebenzimmer«, bot Dominik an, der schon wieder aus der Küche gelatscht kam. »Ich mach auch den Fernseher ganz laut.«
»Wie wär’s, wenn du einfach verschwindest?«, schlug Lukas vor.
»Und wohin? Wenn meine Mutter erfährt, dass ich gefeuert wurde …«
»Deine Mutter?«
»Ja, was? ’ne eigene Wohnung war zu teuer. Und eigentlich verstehen wir uns total gut.«
Rosanna hob entnervt ihre Hände und wandte sich zur Tür. »Das geht so nicht.«
»Warte.«
»Du hast doch bestimmt ’ne Couch, auf der ich übernachten könnte«, sagte Dominik. »Ich mach mich auch ganz klein!«
Lukas stöhnte verärgert, schob Dominik diesmal ins Wohnzimmer und schloss die Tür sofort zweimal hinter ihm ab.
Rosanna verzog das Gesicht. »Ich hätte doch nicht herkommen sollen.«
»Warte«, widersprach Lukas. »Wir reden hier und jetzt.«
Aber als er ansetzen wollte, bekam er kein Wort heraus. Zu viel schien davon abzuhängen, alles so auszudrücken, dass er damit nichts ruinierte. Er versuchte es erneut, kam aber sofort wieder ins Stocken.
»Weißt du«, sagte Rosanna erschöpft, »ich kapier’s auch so.«
»Tust du nicht.«
»Doch. Wir beide sind Emotionskrüppel. Wir bilden uns die absonderlichsten Dinge ein, um Gründe zu finden, warum wir zusammenbleiben sollten oder nicht. Wir stolpern durchs Leben, ohne jeden Plan, und selbst wenn wir denken, wir hätten einen, finden wir garantiert einen Weg, um uns selber ein Bein zu stellen.«
»So sehe ich uns überhaupt nicht«, entgegnete Lukas empört.
»Sondern?«
»Wir sind bloß … gigantische Pechvögel.«
»Und selber an überhaupt nichts schuld – willst du das etwa sagen?«
Lukas gab keine Antwort. Dass sie ihn für selbstmitleidig und albern hielt, machte sein Geständnis nicht gerade einfacher. Dann ertönten die dramatischen Klänge der »Carmina Burana«, die Lukas in einem Anflug von Geschmacklosigkeit als Klingelton seines Handys eingestellt hatte.
»Geh ruhig dran«, sagte Rosanna sarkastisch. Ein Blick aufs Display sorgte dafür, dass Lukas den Anruf tatsächlich entgegennahm. Und während er der Stimme am anderen Ende lauschte, musste er daran denken, dass sein Klingelton eigentlich ganz passend war.
22
Da es keinen Verwandten oder Bekannten gab, der sich um Fritz kümmerte, hatte Lukas vor einiger Zeit eingewilligt, seine Telefonnummer für Notfälle anzugeben. Damals hatte er nicht damit gerechnet, dass er infolgedessen die Nacht damit verbringen würde, durch die Straßen rund ums Altersheim zu marschieren, um den alten Mann ausfindig zu machen.
Die Heimleiterin, eine massive Endvierzigerin, deren Gesicht zunehmend Ähnlichkeiten mit ihrem Bullterrier aufwies, hatte Lukas in einem erstaunlich entspannten Tonfall mitgeteilt, dass Fritz auf mysteriöse Weise aus dem Heim verschwunden war. Sein Zimmergenosse hatte entweder nicht bemerkt, dass Fritz sich aus dem Staub gemacht hatte, oder kein Interesse daran, seine Flucht zu unterbinden. Weit konnte ein schwerkranker, an den Rollstuhl gefesselter Neunundneunzigjähriger kaum gekommen sein, aber die Heimleiterin bat Lukas trotzdem, bei der Suche zu helfen – schließlich war die Nachtschicht ihrer Pfleger schon bei der Versorgung der Heiminsassen unterbesetzt.
Rosanna hatte angeboten, Lukas zu begleiten, was er abgelehnt hatte, da er sich die Fortsetzung ihrer Auseinandersetzung zu einem besser geeigneten Zeitpunkt wünschte. Allerdings verfügte Rosanna über ein Auto, mit dem sie die Gegend rund ums Altersheim natürlich leichter und schneller absuchen konnten als zu Fuß. Zudem wollte Rosanna Lukas jetzt nicht allein lassen oder gar gemeinsam mit Dominik auf seine Rückkehr warten müssen.
Je länger sie aber durch die zu dieser Zeit vom Feierabendverkehr befreiten Straßen kurvten, desto sinnloser kam ihnen das gesamte Unterfangen vor. Fritz schien wie vom Erdboden verschluckt. Lukas’
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