Bestimmt fuer dich
ehrlich war, hatte sie selbst das Gefühl, seit der Prophezeiung des großen Shandu vom Pech verfolgt zu sein. Aber im Gegensatz zu Lukas war sie nicht bereit, sich mit dieser Erklärung zufriedenzugeben. Von jetzt an würde sie tun und las sen, was sie wollte, ohne Rücksicht auf irgendwel che Fingerzeige des Universums. Von jetzt ab würde sie frei sein, und zwar ohne das als Folge der Tren nung von Lukas zu betrachten oder als tatsächliche Lebensaufgabe nach ihrem beinahe tödlichen Unfall. Was immer sie täte, was immer jetzt geschähe, sie würde dafür die alleinige Verantwortung übernehmen.
In Gedanken begann Rosanna eine Liste zu machen, mit all den Aufgaben, die sie selbst erledigen wollte. Lukas von ihrer Lebensperspektive zu überzeugen war eine davon. Aber morgen würde sie erst noch etwas anderes in Angriff nehmen. Etwas, das sie schon längst hinter sich hätte bringen sollen.
2 3
»Du spinnst ja«, sagte Eva.
»Natürlich«, schnaubte Lukas und lümmelte sich absichtlich in ihrem Chefsessel herum. »Es war reiner Zufall, dass ich den Artikel nicht verhindern konnte. Dass du gestern auf Reisen warst. Mich nicht zurückrufen konntest.«
Eva lächelte kopfschüttelnd und setzte sich in den unbequemen Stuhl gegenüber vom Schreibtisch.
»Hätte nie gedacht, dass du so grausam sein kannst«, sagte Lukas. »Mir gegenüber, meine ich.«
»Und ich hätte nie gedacht, dass du so dämlich sein kannst.«
»Schon klar, ich soll lieber stillhalten und mich freuen, dass das Honorar für Dominiks Artikel auf meinem Konto landet.«
»Nein«, sagte Eva und sah ihm direkt in die Augen. »Ich meine, du solltest lieber das tun, worin du eigentlich ganz gut bist: erst recherchieren, dann kommentieren.«
Er stand auf. »Wenn das die Einleitung zu einer deiner üblichen Predigten ist …«
»Lukas –«
»Ich weiß«, zischte er und fuhr auf dem Weg zur Tür herum. »Ich hatte alle Chancen. Ich hatte großes Potenzial. Eine erfolgversprechende Zukunft. Aber ich habe zu wenig daraus gemacht. Zu lange gezögert. War zu ängstlich. Zu bequem. Zu undiplomatisch. Ich habe die falschen Leute verärgert. War zu sehr von mir eingenommen. Dachte, es würde schon irgendwie gut gehen. Dachte, mein Können würde am Ende mehr zählen, entscheidend sein.« Er zog die Mundwinkel herunter und breitete die Hände aus wie ein Fernsehprediger. »Und du hast lange ge nug deine schützende Hand über mich gehalten. Mehr kann ich wirklich nicht von dir verlangen.«
»Kannst du schon«, erwiderte Eva gelassen. »Aber da ich nur noch bis zum Ende des Monats hier bin, wird wohl keiner mehr auf mich hören.«
Lukas hielt inne. »Man hat dir also einen neuen Posten angeboten. Deshalb warst du gestern unterwegs. Du wirst befördert.«
Eva nickte. »In den vorzeitigen Ruhestand.«
Lukas warf ihr einen skeptischen Blick zu.
»Ist so«, beharrte Eva. »Zuerst war ich zwar erstaunt, weil ich immer dachte, dass meine Karriere noch ein paar Sprossen auf der Leiter übrig hat. Aber …« Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »So bleibt mir mehr Zeit, um mich endlich auf das zu konzentrieren, was ich viel zu lange habe brachliegen lassen.«
»Deinen Garten?«
Eva lächelte. »Mich selber.« Sie stand auf und trat ihm entgegen. »Du wirst jetzt vermutlich denken, dass ich mir eine Niederlage schönrede.«
»Was nicht so ist.«
»Ganz und gar nicht.«
»Stimmt«, sagte Lukas sarkastisch. »So eine vorzeitige Entlassung geschieht ja meist aus reiner Fürsorge.«
»Nein«, seufzte Eva, »aus Kostengründen. Obwohl ich trotzdem hätte bleiben können.«
»Aber nur für ein jämmerliches Gehalt.«
Eva schüttelte den Kopf. »Es hätte immer noch gereicht.«
»Warum gehst du dann wirklich?«
Eva begegnete seinem Blick, und einen Moment lang sah es so aus, als wollte sie ihn in ihren Arm nehmen und wie ein kleines Kind trösten. »Weil ich glaube, dass es an der Zeit ist.«
Lukas winkte ab. »Du kommst wieder, ganz sicher.«
»Wenn du meinst …«
»Du hältst das nicht aus, du brauchst diesen Job. Du kannst nicht allein sein.«
»Wer sagt, dass ich das sein muss?«
Lukas runzelte die Stirn. »Hast du etwa …«
Eva konnte ihr Grinsen nicht unterdrücken. »Hät te ich auch nicht mehr gedacht. Aber so ist das Leben.«
Lukas antwortete nicht.
Eva musterte ihn. »Willst du mich nicht fragen, was aus dir werden soll – ohne meine »schützende Hand«?«
Lukas zuckte die Achseln und versuchte gelassen zu klingen. »Ich werde
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