Bestimmt fuer dich
Gehirnerschütterung ausgelöst hat. Außerdem lagen Scherben im Gras, sodass ihr Schienbein aufgeschnitten war und genäht werden musste. Und der Schock hat dazu geführt, dass sie fast einen Monat lang nicht mehr gesprochen hat.«
»Auch nicht mit Gott?«
»Nein«, sagte Maren, »dazu war sie wohl ein bisschen zu enttäuscht.«
Lukas musste lachen, obwohl es ihm unpassend erschien.
»So komisch war’s gar nicht«, sagte Maren, aber auch sie konnte sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. »Eigentlich«, fuhr sie fort, während Lukas und sie versuchten, ihre verzweifelte Heiterkeit zu beherrschen, »war’s sogar recht traurig.«
»Weil so ein Blitzschlag auch ’ne Antwort sein kann?«
»Aber keine, die man hören möchte.«
»Heißt das, Rosanna hat danach aus Wut aufgehört, an Gott zu glauben?«
»Nein«, erwiderte Maren. » Ich habe sie dazu gebracht.«
Lukas sah die Pastorin fassungslos an.
»Mein Vater und ich«, erläuterte Maren, »wollten unbedingt verhindern, dass sie Gott wirklich für rachsüchtig hält und in ihren Unfall irgendeinen Unsinn hineindeutet. Deshalb haben wir mit Engelszungen immer wieder auf sie eingeredet, um sie davon zu überzeugen, dass der Blitzschlag reiner Zufall war.« Maren seufzte. »Aber das war ein Fehler. Je mehr wir Rosanna zu überreden versuchten, desto weniger glaubte sie uns. Eigentlich glaubte sie uns danach kaum noch etwas. Anstatt sie zu beruhigen, haben wir sie nur weiter verwirrt. Was ich mir vermutlich nie verzeihen werde.«
» Sie hat deswegen aber wohl kein Blitz getroffen, oder?«
Maren schüttelte den Kopf. »Bin ja nicht abergläubisch.« Sie zwinkerte ihm wieder zu, und Lukas grinste.
Obwohl Maren rund zehn Jahre älter sein musste als Rosanna und auf den ersten Blick nur entfernte Ähnlichkeit mit ihr besaß, konnte er in ihrem Lächeln jene Hintergründigkeit erkennen, die ihn in Rosannas Gesicht zuerst verwirrt und dann angezogen hatte.
»Aber wer weiß, vielleicht hat das Ganze dafür gesorgt, dass Rosanna frühzeitig eine gewisse Eigenständigkeit entwickelte«, sagte Maren schließlich. »Auch wenn sie oft am Boden gelandet ist – irgendwas in ihr hat sie immer wieder dazu gebracht, aus eigener Kraft aufzustehen.« Maren lächelte wieder. »Dass Sie sie verlassen wollen, wird Rosanna garantiert überstehen.«
Daran zweifelte Lukas auch nicht mehr. Aber das, was er über Rosanna erfahren hatte, bereitete ihm neues Kopfzerbrechen. Bislang hatte er befürchtet, er sei für all das verantwortlich, was ihr in den letzten Tagen zugestoßen war. Konnte es sein, dass er damit doch nichts zu tun hatte? Hatte eine bloße Verkettung unglücklicher Zufälle ihn so verunsichert, dass er zu einer derart absurden Schlussfolgerung gekommen war?
Natürlich war Lukas neurotisch genug, um auch noch eine andere Erklärung in Betracht zu ziehen. Dass nämlich Rosanna mit ihren vielen Schicksalsschlägen dafür bestraft wurde, dass sie seinerzeit eine Antwort von oben herausgefordert hatte.
»Sie sind niemand, der sich leicht beruhigen lässt, was?«
Lukas schrak aus seinen Gedanken und bemerkte, dass Maren ihn mitfühlend musterte. »Ich hasse eben Enttäuschungen«, antwortete er.
»Wer nicht?« Maren legte eine Hand auf seinen Arm. »Aber manchmal muss man einfach darauf vertrauen, dass alles einen Sinn hat.«
»Alles?« Lukas seufzte. »Mir wär’s im Augenblick lieber, wenn alles ohne tieferen Sinn geschähe.«
»Weil Sie vermutlich insgeheim alles kontrollieren wollen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das können Sie sowieso nicht. Hören Sie lieber auf damit. Und hören Sie auch auf, sich mit alldem zu beschweren, was Ihnen Sorgen macht. Denken Sie lieber an die schönen Seiten des Lebens.« Sie überlegte. »Also nicht an die Zeit, in der Sie und Rosanna sich getrennt haben. Sondern an den Tag, an dem Sie beide sich kennengelernt haben.«
Lukas sah Maren an. Und seufzte wieder.
28
Das von einem Polizisten geliehene graue Sweatshirt mit der Aufschrift » DEIN FREUND UND HELFER « hing sackartig an Rosanna herunter, und die dazugehörigen blauen Jogginghosen waren viel zu lang, sodass sie sie hochgekrempelt hatte. Was auch nicht besonders gut zu ihren hochhackigen Schuhen passte.
Taxis hatten für Rosanna nicht angehalten, sodass sie den ganzen Weg nach Hause gelaufen war. Eine Zeit lang hatte sie versucht, barfuß zu gehen, aber der Asphalt war kalt und zuweilen voller Unrat, sodass sie wieder in ihre schmerzenden Pumps gestiegen war. Sie
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