Bestimmt fuer dich
rechnete damit, dass es, wie im Wetterbericht vorherge sagt, zu regnen anfangen und sie von vorbeipreschen den Autos mit aufspritzendem Pfützenwasser besu delt würde. Aber die dichten Regenwolken begnügten sich damit, den frühen Abend zu verdunkeln.
Als Rosanna das Haus erreichte, in dem sich ihre Wohnung befand, fühlte sie sich trotzdem, als käme sie vom Regen in die Traufe. Lukas saß neben der Eingangstür. Während er sich erhob, musterte er verwundert die ungewohnte Zusammenstellung ihrer Kleidungsstücke.
»Was ist passiert?«, fragte sie ihn.
»Ich glaube, du hast da mehr zu erzählen.«
Rosanna brummte nur missmutig. Ihr Blick fiel auf den Briefkasten, an dem immer noch Erdbeerjoghurt klebte. »Sauerei«, schimpfte sie. »Weiß gar nicht, wer so was komisch finden kann.«
Lukas kratzte sich verlegen am Kinn und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu einer anderen Frage zurückzulenken. »Rosanna …«
»Ich bin müde«, nörgelte sie, »und nicht in der Stimmung, Entschuldigungen anzuhören, die ohnehin nicht lange anhalten.«
»Sieht so aus.«
»Würdest du mich dann bitte …« Sie winkte ihn zur Seite und kramte in ihrer Handtasche nach dem Hausschlüssel. Er fiel ihr prompt herunter. Lukas hob ihn auf, noch während sie sich selbst danach bückte. Als sie dabei auf ihren Absätzen umknickte und hinzufallen drohte, hielt er sie fest. Sie fluchte. Ihr Knöchel schmerzte wieder und war auch angeschwollen. Sie wollte jetzt nur noch in ihre Wohnung, ein hei ßes Bad nehmen und alles vergessen. Aber selbst dafür fühlte sie sich zu erschöpft. Lukas half ihr aufzustehen. Sie machte sich von ihm los, geriet aber ins Taumeln, sodass er sie wieder festhielt.
»Hör auf«, sagte sie leise.
»Ich will nur –«
»Hör auf«, flüsterte sie. Doch als er seine Hände von ihr nahm, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter.
»Komm schon, erzähl mir, was dir passiert ist«, flüsterte er sanft in ihr Haar.
»Du willst es nicht wissen«, hörte sie sich sagen. Aber Lukas hob mit einer Hand ihr Kinn und sah sie aufmunternd an. Also begann sie zu erzählen.
29
»Was, zum Henker, suchst du hier?«
Lars’ Stimme war kalt und angriffslustig. Rosanna erkannte ihn kaum wieder. Selbst in ihren lautesten Auseinandersetzungen hatte er eher Ungeduld verströmt als Hass.
Auch Carolin erschrak, allerdings weil sie langsam zu verstehen begann.
»Immer mit der Ruhe«, begann Rosanna. »Ich hatte gestern nicht mal vor, reinzukommen. Ich wollte nur sehen, wie du jetzt lebst.«
»Was geht es dich an?«
Carolin stand auf und nahm Stella an die Hand. »Komm, Schätzchen, wir lassen Papa mal kurz allein.«
»Nein, bleiben Sie«, bat Rosanna. »Ich habe genug gesehen. Und ich bin wirklich nicht hier, um eine Szene zu machen.« Als sie aufstand, hörte sie ein merkwürdiges Geräusch. Ihre plötzliche Bewegungsfreiheit konnte nur bedeuten, dass der Beinschlitz ihres Kleids weiter aufgerissen war. Instinktiv fasste sie an ihr Hinterteil und spürte bereits den Rand ihres Baumwollschlüpfers.
»Pardon«, sagte Rosanna so würdevoll sie konnte und beugte sich vor, um auf dem Couchtisch nach ihrer Handtasche zu greifen. Doch als sie damit ihr aufgerissenes Hinterteil abdecken wollte, platzte durch die Bewegung ihres Arms der Stoff an ihrem Dekolleté auf.
Lars verengte seine Augen, als wäre er geblendet, Carolin legte schockiert eine Hand auf ihren Mund, und Stella fing an zu kichern.
Mit der Handtasche am Hintern und mit der anderen Hand auf dem Brustansatz, eilte Rosanna auf die Wohnzimmertür zu, blieb aber mit einem Absatz am Bein des Couchtischs hängen und stürzte vornüber. Um sich beim Aufprall abzustützen, warf sie ihre Handtasche weg. Leider zu weit und mit so viel Wucht, dass diese eine prachtvolle Vase von einer Kommode schubste, die klirrend auf dem Parkettboden zerschellte. Der Riss über ihrem Hinter teil platzte in dem Augenblick, als sie auf allen vieren landete, noch weiter auf, sodass der Stoff aufblätterte wie ein unanständiger Bildband.
Anstatt ihr beim Aufstehen zu helfen, sah Lars demonstrativ zur Seite. Sein Gesicht war rot angelau fen, aber ob er wütend war oder sich schämte, wusste weder Rosanna noch Carolin, die ebenfalls um Fassung rang.
»Ich wollte einfach nur sehen, was hätte sein können«, sagte Rosanna erschöpft. »Ich wollte sehen, wie meine Zukunft ausgesehen hätte.«
»Das ist nicht deine Zukunft«, erwiderte Lars.
»Jetzt gehen Sie schon«, zischte Carolin.
Rosanna
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