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Beth

Beth

Titel: Beth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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zu eigenem Leben erwachten Gedanken ergeben. Denn als ich endlich weiterging, hatte die Sonne ihre tägliche Wanderung übers Firmament um ein beträchtliches Stück fortgesetzt und beschien die Mauern Jerusalems nun fast schon von Westen her, ließ sie buchstäblich in gänzlich anderem Licht erscheinen als eben noch.
    Ums Haar hätte ich mich von neuem in ihrem Anblick verloren; beinahe war mir, als müßte ich mich zum Weiterlaufen zwingen, meinen müden Füßen mit wirklichen Worten befehlen, sich zu bewegen.
    Ich erinnere mich des Gedankens, der mir auf dem letzten Stück dieses Weges durch den Sinn ging, so klar und deutlich, als dächte ich ihn jetzt zum ersten Mal: Vielleicht rührt mich der Anblick Jerusalems deshalb in solchem Maße, weil es meine letzte Station ist in dieser Welt - in dieser Zeit .
    Denn tatsächlich würde ich kaum mehr größere Orte passieren auf meinem Weg dorthin, wo ich dieses Leben einer Elisabeth Stifter ab -streifen wollte, um in mein früheres (zukünftiges!) zurückzukehren. Inwiefern eine solche Rückkehr, die Wiederaufnahme meines Lebens als Beth MacKinsey in der Zukunft überhaupt möglich wäre, darüber hatte ich mir in Jahrzehnten verboten, tiefschürfend nachzudenken. Weil ich fürchtete, mich könnte der Mut verlassen, wenn ich eine Antwort auf jene Frage fände .
    Ich würde sie finden, wenn ich in Uruk erst getan hatte, weswegen ich dorthin ging. Und dann - erst dann! - würde ich diese Antwort akzeptieren müssen. Wie sie auch ausfallen mochte .
    Der Gedanke, daß mein Aufenthalt in dieser Zeit sich dem Ende zuneigte, hätte mich erfreuen sollen. Aber er tat es nicht, noch immer nicht; nicht in dem Maße jedenfalls, wie ich es erwartete. Tief in mir (oder gar nicht so tief?) gab es etwas, das fest verwurzelt war mit dieser Welt und Zeit - und mehr noch mit jemandem, der darin lebte.
    Tobias Stifter .
    Ich hatte ihn im Monte Cargano zurückgelassen, ihn verlassen -absoluter, endgültiger, als jede andere Frau dieser Welt einen Mann verlassen konnte. Ich würde buchstäblich verschwinden, nicht an einen fernen Ort, sondern in eine ferne Zeit. In eine andere Welt.
    Würde ich dort glücklich werden? Konnte ich glücklich werden ohne Tobias, der mir in über 30 Jahren auch ohne Heirat der beste Mann gewesen war, den eine Frau sich wünschen konnte?
    Ich schüttelte den Kopf im stummen Selbstgespräch. Ich ging nicht zurück in die Zukunft, um glücklich zu werden. Sondern um Rache zu nehmen! An meiner Mörderin ...
    Verzeih Uruk...
    Ich spuckte aus, angewidert und voller Haß, als ihre Worte in mir widerhallten, schal und leer.
    Du wirst lernen, Uruk zu verfluchen, Lilith Eden! dachte ich bitter und bis ins Mark grabeskalt .
    Einen winzigen Teil seiner Faszination büßte Jerusalem ein, kaum daß ich die Stadt durch das Säulentor - auch Damaskus-Tor genannt, weil es auf die Straße mündet, die zur syrischen Hauptstadt führt - betreten hatte. Die Vielfalt der sich hier tummelnden Nationen, daran hatte auch die osmanische Herrschaft nichts geändert, war schon nach wenigen Schritten innerhalb der Stadtmauern nicht zu übersehen, und ihr Anblick gemahnte mich daran, daß der Boden des Heiligen Landes und auch der Jerusalems wieder und wieder von Blut getränkt worden war. Sie waren im Laufe der Jahrhunderte ein ums andere Mal Schauplatz mörderischer Kämpfe um die Vorherrschaft zwischen drei Weltreligionen gewesen, und im Namen seines eigenen Gottes hatte kein Menschenvolk je Gnade gekannt .
    Nichtsdestotrotz wirkte der Zauber Jerusalems freilich stärker auf mich als die Beklemmung, die seine blutige Historie in mir wecken wollte. Was mir geschriebene Worte nicht hatten vermitteln können, verstand ich nun, da ich Jerusalems Luft atmete, die Leib und Seele gleichermaßen zu vitalisieren schien. Ich erfaßte, was Menschen seit nunmehr 1600 Jahren aus aller Welt gen Jerusalem pilgern ließ, und obschon ich diesen Grund begriff, konnte ich ihn doch nicht benamen. Was mir die Bedeutung dieses Ortes allerdings noch vertiefte, anstatt ihn mir zu entfernen.
    Ich gestehe, daß selbst mir der Gedanke, meine Füße würden just jetzt denselben Boden berühren wie vor über sechzehnhundert Jahren die Seines Sohnes, ein Gefühl tiefer Ehrfurcht und Demut einflößte. Natürlich wußte ich, daß das Jerusalem jener Zeit inzwischen metertief unter dem Schutt der Geschichte begraben lag und die heutige Stadt quasi auf deren Ruinen errichtet worden war; aber das Wissen um die Nähe

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