Betörend wie der Duft der Lilien
antikes Diebesgut an sich raffen.
Die Freunde, die Cameron rasch fortzerrten, hatten nicht verhindern können, dass er noch hörte, was Averton murmelte: „Lasst ihn ziehen. Was soll man vom Sohn eines griechischen Straßenmäuschens anderes erwarten?“
An jenem Tag hatte es zehn starker Männer bedurft, um Cameron zu bändigen, und kurz darauf hatte er die stickige Enge von Cambridge hinter sich gelassen, um erneut auf Reisen zu gehen. Die Wanderjahre in Italien und der Heimat seiner Mutter hatten ihn diese Worte und das Geräusch, mit dem Avertons Nase unter der Wucht seines Schlags gebrochen war, vergessen lassen – bis heute.
Der Anblick von Averton, der sich Clio Chase aufdrängte, hatte die Erinnerung an jene dunkle Schenke wieder heraufbeschworen. Die Lebendigkeit der Szene und die Heftigkeit seines erneuerten Hasses erschreckten ihn.
Averton war inzwischen als Exzentriker verschrien, als halber Eremit, der nur aus seiner Klause kam, um mit seinen antiken Schätzen zu prahlen. Doch Cameron war sich sicher, dass der Duke hinter all den Antiquitäten lediglich seine alte Verderbtheit verbarg. Wer würde es schon wagen, ihn öffentlich des Diebstahls zu beschuldigen? Oder den Verbrechen eines reichen und mächtigen Herzogs auch nur nachzuspüren?
Cameron hielt vor den Toren des Museums inne und fuhr sich grob mit den Fingern durchs Haar, bis seine Wut verebbte. Jetzt waren nüchterne Erwägungen gefragt, nicht die impulsiven Handgreiflichkeiten aus seinen Jugendtagen. Nicht Dionysos, sondern Athene war es, die er brauchte.
Lange stand er da, ohne das brodelnde Londoner Leben ringsum wahrzunehmen. Er dachte an seine Mutter, an ihre Geschichten über die großen Krieger. Achill, Ajax, Hektor: Allen waren offenbar ihre Launen zum Verhängnis geworden. Sie hatten sich unüberlegt in die Schlacht gestürzt, angetrieben von ihrer Leidenschaft.
„Du bist ihnen sehr ähnlich, mein Sohn, und das wird dich eines Tages in Schwierigkeiten bringen“, hatte sie ihm mehr als einmal erklärt. „Es gibt bessere Wege zum Sieg.“
Als er sich gerade beruhigt hatte, öffneten sich die Türen des Museums. Calliope und Clio traten ins Freie. Ihre kleine Schwester, die sie in ihre Mitte genommen hatten, schnatterte aufgeregt, aber die beiden älteren Musen wirkten ernst und verschlossen. Cameron verbarg sich hinter einem großen steinernen Gefäß, als sie vorübergingen. Sein aggressives Verhalten hatte Calliope merklich verstört, und er wollte nicht mit ihr reden, solange er selbst nicht verstand, was in ihn gefahren war. Aber er ging ihnen unauffällig nach und hielt ein Auge auf sie, bis sie in ihre Kutsche stiegen.
Wenn Averton glaubte, er könne ungestraft sein Spiel mit einer der Chase-Musen treiben, dann hatte er sich böse getäuscht.
Lord Mallow. Mr. Wright-Helmsley. Mr. Lakesly.
Calliope knabberte am Ende ihres Bleistifts und studierte im Kerzenlicht ihre Liste: lauter Männer von einigem Wohlstand und einer gewissen Intelligenz, und sie alle sammelten Antiquitäten. Reichte das aus, um sie zu verdächtigen? Sie klopfte sich mit dem Stift ans Kinn und durchforstete ihr Gedächtnis nach weiteren Kandidaten. Ausschließen wollte sie nur Kinder und Greise – und Männer, denen jeder Grips fehlte, wie den armen Freddie Mountbank.
Doch letztlich lief es immer auf einen Namen hinaus. Lord Westwood. In ihm vereinigten sich alle nötigen Eigenschaften: Intelligenz, Interesse und eine gewisse Waghalsigkeit, die er sich vielleicht bei seinen Reisen durch Italien und Griechenland zugelegt hatte. Aber allmählich kamen ihr Zweifel. War es möglich … Fing sie vielleicht an … ihn zu mögen?
„Unsinn!“ Calliope warf den Bleistift fort. Natürlich mochte sie ihn nicht. Gerade seine Waghalsigkeit widersprach allem, was ihr wichtig war. Dieser leise Zweifel war bestimmt nur dieser schrecklichen angeborenen Neigung aller Frauen geschuldet, sich von einem Lächeln und zwei blitzenden Augen den Verstand rauben zu lassen.
Er war immer noch ihr Hauptverdächtiger; sein brodelnder Hass auf den Duke of Averton unterstrich das nur. Westwood hatte etwas Gefährliches an sich – wie eine im Feuer gehärtete Klinge, die normalerweise in einer samtenen Scheide steckte, aber im Handumdrehen zum Vorschein kommen und ihr zerstörerisches Werk tun konnte. Lady Tenbrays Diadem war diesem Wüten bereits zum Opfer gefallen. Würde die Alabastergöttin denselben Weg gehen?
Calliope streckte langsam die Hand nach dem Stift aus und
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