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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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Haar war zu einem altmodischen Zopf zurückgebunden, und er sah sich mit ernster, aber nicht überheblicher Miene um.
    Calliope hatte den Eindruck, dass Clio gelassen blieb, aber ihre Brille, auf der sich das Kerzenlicht spiegelte, verbarg den Ausdruck in ihren Augen. Cameron war noch nicht wieder aufgetaucht.
    „Er kommt hierher“, sagte Lady Kenleigh und zog sich ihre Stola enger um die Schultern.
    Der Duke grüßte den Vikar und einige andere Gäste und trat dann zu ihnen. Calliope griff unauffällig nach einer Falte von Clios Kleid. Das würde ihre Schwester zwar nicht ernsthaft zurückhalten, mochte ihr aber vielleicht eine kleine Hilfe sein.
    Doch Clio schien keine Szene machen zu wollen. Mit dem Anflug eines Lächelns im Gesicht blickte sie ihm entgegen.
    „Guten Abend, Lady Kenleigh. Lady Rushworth, Lady Emmeline. Sir Walter. Miss Chase. Miss Clio“, sagte er und beugte das Haupt. Das Kerzenlicht ließ sein Haar wie einen antiken Goldspiegel glänzen. „Erfreut, Sie hier anzutreffen. Seit Herrn Müllers Vortrag in der Altertumsgesellschaft haben wir uns, glaube ich, nicht mehr gesehen.“
    Überrascht gestand Calliope sich ein, dass er recht gut aussah. Zu schade, dass er so … seltsam war.
    „Guten Abend, Euer Gnaden“, erwiderte Lady Kenleigh, die eine zu geübte Gastgeberin war, um sich ihre Verunsicherung anmerken zu lassen. „Was für eine angenehme Überraschung, Sie heute hier begrüßen zu dürfen.“
    „Ich möchte in Zukunft mehr Zeit auf Averton Castle verbringen, Lady Kenleigh, und dachte daher, es wäre gut, meine Nachbarn etwas besser kennenzulernen. Ich hoffe, Sie genießen Ihre Ferien?“ Die Frage galt der ganzen Gruppe, aber sein Blick ruhte auf Clio.
    Calliope musste an zwei Löwen denken, die sich umkreisten. „Das tun wir, Euer Gnaden“, antwortete sie. „Die Landschaft ist höchst beeindruckend. Vor einigen Tagen haben wir die Wasserfälle besucht.“
    „Haben Sie auch die geheime Grotte gesehen?“, fragte der Duke. „Es gibt viele faszinierende Geschichten über die Wassergeister dort.“
    Wassergeister wie die arme gefangene Daphne? Aus der Nähe erkannte Calliope die rote Narbe auf seiner Stirn, die er seiner eigenen fliehenden Daphne verdankte.
    Sie sah noch etwas. Das Motiv auf seiner Brosche war eine winzige Schriftrolle: das Symbol für Clio, die Muse der Geschichte.
    „Leider können sie meisten von uns nicht schwimmen“, erwiderte Emmeline heiter. „Wir können uns die Pracht der verborgenen Höhle also weiterhin nur ausmalen.“
    „Nun, Lady Emmeline, vermutlich ist es ohnehin nur ein kaltes, scharfkantiges Loch im Fels.“
    „Oder aber eine geheime Schatzkammer“, warf Clio leise ein, „die irgendein Märchenkönig ganz für sich behalten will.“
    „Das wäre ungeschickt von ihm, denn einige von uns Normalsterblichen können durchaus schwimmen“, antwortete der Duke.
    Lady Kenleigh, die die wieder ansteigende Spannung zu spüren schien, wechselte rasch das Thema. „Hatten Sie selbst schon die Muße, die hiesigen Sehenswürdigkeiten zu besuchen, Euer Gnaden? Das römische Fort oder einige der Hügelgräber?“
    „Noch nicht, Lady Kenleigh. Ich gedenke das bald nachzuholen. Und um meine Nachbarn besser kennenzulernen, werde ich übermorgen eine kleine Dinnerparty geben. Die Einladung kommt leider recht kurzfristig, aber ich hoffe, Sie können trotzdem kommen. Mit all Ihren Gästen natürlich.“
    Lady Kenleigh und Lady Rushworth tauschten erstaunte Blicke aus. „Es ist uns eine Ehre, Sir. Wir haben noch keine anderen Verpflichtungen.“
    „Hervorragend! Dann also bis übermorgen.“
    Er deutete erneut eine Verbeugung an und verschwand dann in der Menge.
    „Du lieber Himmel“, sagte Lady Kenleigh schwach. „Eine Einladung zum Dinner in Averton Castle.“
    „Man kommt aus dem Staunen nicht heraus“, meinte Lady Rushworth. „Ich denke, Sir Walter, auf diesen Schock haben wir uns ein gutes Glas Wein verdient.“ Angeregt plaudernd und offenbar nicht im Mindesten schockiert, schlenderten die beiden davon.
    Clio hingegen war erbleicht. Sie öffnete abrupt ihren Fächer und bewegte ihn so energisch, dass ihre Locken vibrierten.
    „Ob wir wohl die Alabastergöttin sehen werden?“, fragte sich Emmeline. „Es heißt, dass er sie in einem dieser mittelalterlichen Gänge versteckt hat.“
    „Es wäre Zeitverschwendung, wenn wir sie nicht zu sehen bekämen“, meinte Clio. „Sie und all die anderen Schätze, die er dort hortet. Mumien vielleicht? Und

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